München.

Irans Charme-Offensive im Atomstreit läuft bei der Münchener Sicherheitskonferenz ins Leere. Der Auftritt des Teheraner Außenministers gibt den Bedenken der internationalen Staatengemeinschaft neue Nahrung. Schärfere UN-Sanktionen werden nun wahrscheinlicher.

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Manchmal sind es Kleinigkeiten, die elementare Zweifel bestätigen. Und an diesem Samstagnachmittag im Atrium des Luxus-Hotels „Bayerischer Hof“ ist es eine überflüssige Doppelzüngigkeit, die den Skeptikern Auftrieb gibt. Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki, Überraschungsgast auf der 46. Münchner Sicherheitskonferenz, hatte zur Pressekonferenz geladen - und alle kamen.

Seit der Vertraute von Präsident Ahmadinedschad am Freitag zur Geisterstunde ebenso wortreich wie ungenau das jüngste Entgegenkommens Teherans im Streit um die Nutzung der Atomenergie skizziert hat, gibt es bei dem weltweit beachteten Stelldichein der Elite von Militär- und Sicherheitsexperten kein anderes Thema mehr: Trickst der Iran den Westen nur wieder aus? Oder deutet sich wirklich eine substanzielle Entspannung in einem globalen Konflikt an? Was erfordern würde, dass der Iran glaubhaft nachweist, dass er nicht nach der Atombombe greifen will – oder schon gegriffen hat.

Bevor die Konferenz beginnt, stellt ein Übersetzer, der jeden Satz ins Englische überträgt, die „Regeln“ klar: Außenminister Mottaki darf bei seiner „Einführung“ nicht unterbrochen werden, sagt er streng. Im Klartext heißt das: Iran spricht – und ihr hört zu! Später dürfen Fragen gestellt werden, ein paar...

Was dann folgte, kannten Spätaufgebliebene schon vom Freitagabend, als Mottaki vor den Mächtigen und Einflussreichen ein ähnliches Schauspiel bot, das allgemein als diplomatische Provokation interpretiert wurde. Langatmig und wolkig dozierte der Abgesandte Ahmadinedschads über weltpolitische Allgemeinplätze, lobte sein Land als würdige Musterdemokratie im Nahen Osten, verbat sich Einmischung in innere Angelegenheiten, ohne jedoch nur ein einziges Mal auf den Punkt zu kommen. Der lautet: Meint Teheran es diesmal ernst?

Mottaki bekunderte Kooperationsbereitschaft

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Rückblick: Anders als bislang hatte Iran vor wenigen Tagen signalisiert, ein Angebot des Westens anzunehmen. Danach hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) im Herbst 2009 vorgeschlagen, dass der Iran leichtes nukleares Material über Russland nach Frankreich bringen lässt und dafür im Gegenzug aufbereitete Brennelemente für einen medizinischen Forschungsreaktor in Teheran bekommt. Sinn der Aktion: Der Westen hätte damit bewiesen, dass er den zivilen Atomkraft-Ambitionen Irans nicht im Wege steht. Andererseits wäre damit ein gangbares Weg eröffnet worden, dass der Iran sich kein hochangereichertes Plutonium beschafft, was für den Bau von Atombomben verwendet werden kann.

Mottaki, das war der Sinn seiner Visite in München, bekundete vor der Weltöffentlichkeit Kooperationsbereitschaft. Und machte sich im gleichen Atemzug unglaubwürdig. Der Iran besteht nämlich darauf, die besagten Brennstäbe im Falle eines zustande kommenden Tauschgeschäfts sofort zu bekommen. Auch will er Ort, Zeitpunkt und Menge allein bestimmen. Auflagen, die - weil nicht hinnehmbar - in der internationalen Gemeinschaft auf höchste Skepsis trafen. Stellvertretend für viele brachte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Meinung auf den Punkt: Mottakis Beitrag sei die Fortsetzung eines „durchschaubaren Spiels auf Zeit“ gewesen, sagte er und fügte hinzu, nun sei der UN-Sicherheitsrat am Zuge, um über schärfere Sanktionen gegen Iran nach zu denken. Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich auf der gleichen Wellenlänge: „Ich habe Vertretern der deutschen Wirtschaft und Industrie bereits mitgeteilt, dass wir die Ausweitung von Sanktionen nicht ausschließen können“, sagte er einer Sonntagszeitung.

Russland zeigt Verständnis

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow zeigte dagegen Verständnis für Teheran. „Ich glaube nicht, dass wir die Nuklearfrage lösen können, wenn wir ignorieren, was in dieser Region und auch zwischen Israel und den Arabern passiert“, so Lawrow. Wolfgang Ischinger, ehemaliger Botschafter und Leiter der Konferenz, sah sich am Rande leiser Vorwürfe ausgesetzt, dem iranischen Außenminister zu viel Rampenlicht eingeräumt zu haben. Ischinger gab sich zerknirscht. Auch wenn die Gesprächskultur in der muslimischen Welt eine andere sei als in westlichen Industrieländern, so habe Mottaki es in jedweder Hinsicht an einer „klaren Aussage“ fehlen lassen. Wie gesagt: dieses Urteil bezog sich auf Freitagnacht.

Am Samstag hatte Mottaki die Gelegenheit, die aufgelaufenen Bedenken auszuräumen, den Wissensdurst der Journalisten nach den Details der iranischen Vorbedingungen für den Atom-Tausch-Deal zu befriedigen und Klartext zu sprechen. Das Gegenteil war der Fall. Wieder nur Allgemeinplätze. Wieder nur freundliche Absichtserklärungen. Und dürre Antworten auf gestellte Fragen. Am irritierendsten: Als Mottaki seine längliche Erklärung gab, sprach er Persisch; jeder Satz musste, so inhaltsleer er auch war, zeitraubend ins Englische übersetzt werden. Als Journalisten am Ende - auf Englisch - selbst komplizierteste Details nachfragten, verstand der Minister plötzlich erkennbar in Windeseile jedes Wort und antwortete sogar – in englischer Sprache. Wer will dem Iran im Atomstreit glauben, wenn seine obersten Repräsentanten schon auf Pressekonferenzen bei der Sprache tricksen?