Berlin. .
Joachim Poß reicht es: „Der Staat darf keine Deals machen“, sagte er der WAZ.
Sein Wort hat Gewicht in der SPD. Poß ist der Vizechef der Berliner Fraktion und leitet eine Projektgruppe „Steuern und Abgaben“ der SPD-Spitze. Einen Verbündeten hat er auch: Parteichef Sigmar Gabriel. Er will härtere Strafen für Steuerkriminelle und keine mildernden Umstände für Diebe.
Dass „Null Toleranz“ (Poß) nun das Gebot der Stunde sein soll, überrascht. Selten hat sich die Selbstanzeige – Steuern gegen Straffreiheit – so bewährt wie seit Februar 2008. Damals wurde die erste Datei mit den Daten von Steuerhinterziehern angeboten und von den Finanzbehörden gekauft. Mittlerweile ist die fünfte CD aus Schweizer Banken im Umlauf. Auf einen Reflex war stets Verlass. Seither haben sich über 30 000 Steuerzahler selbst angezeigt. Sie gehen straffrei aus, denn sie zahlen. Die Finanzminister reiben sich die Hände. Zwei Milliarden Euro an Mehreinnahmen erwarten sie. Jeder kommt auf seine Kosten. Wirklich jeder? „Das ist für das Rechtsempfinden nicht mehr hinzunehmen“, klagt Poß.
Keine Partei glücklich
Im Idealfall ist die Selbstanzeige eine Brücke zur Ehrlichkeit; ein Anreiz zur Rückkehr aus der Steuerflucht. Daran glaubt der Mann aus Gelsenkirchen nicht mehr. Stattdessen hätten die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass das Privileg keinen Rückgang der Hinterziehung bewirkt hat. In gewisser Weise macht es alles leichter. Die Selbstanzeige ist wie der Auslösegriff bei einem Fallschirm. Die Reißleine zieht, wer damit rechnen muss, dass Steuerfahnder ihm auf der Spur sind; abgebremst wird der freie Fall in die Kriminalität. Es ist nicht eine Frage der Ehrlichkeit, sondern der Risikostrategie. „Das ist ja das Fadenscheinige“, erläutert Poß. „Das sind keine Reumütige, die haben bloß einen heißen Hintern gekriegt.“
Mit der aktuellen Praxis ist keine Partei glücklich. Überall, so sie reagiert, sträubt sich die FDP gegen den Ankauf der speziellen Hehlerware. Der Katalog der diskutierten Verschärfungen ist lang.
Zinssatz erhöhen
So weit wie Poß mag die Union zwar nicht gehen. Aber zumindest strengere Auflagen werden auch in ihren Reihen diskutiert, etwa die Pflicht zu einer umfassenden Aussage. Wer nur einen Teil der Sünden (den gefährdeten) beichtet, soll nicht straffrei ausgehen. Für alle, die sich nicht offenbaren, fordert der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck härtere Haftstrafen. Wobei er auf pragmatische Art na bei den Finanzministern ist. Korrigiert sich einer freiwillig und zahlt auf die Steuern die fälligen Zinsen, dann ist die Sache für Kurt Beck erledigt. Parteifreund Gabriel hingegen will das Strafrecht verschärfen.
In der SPD wird gefordert, den Zinssatz zu erhöhen (zehn statt sechs Prozent) und nicht zuletzt mehr Fahnder einzustellen. Das Entdeckungsrisiko soll steigen. Die Selbstanzeige gegen Straffreiheit hält Poß jedenfalls für `überholt“ und nicht mehr `verbesserungsfähig“. Wirklich abschreckend ist für ihn eine konsequente Rechtsprechung. Steuerbetrüger müssten im Gefängnis landen, „genau so wie andere Kriminelle auch“.