Düsseldorf. .

Der neue NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) spricht sich für eine Wiederholung der A40-Sperrung aus.Im Gespräch mit DerWesten kündigte er auch an, die prestigeträchtige Klima-Expo 2020 ins Land holen zu wollen.

Harry Voigtsberger (SPD) hat gerade erst sein Dienstzimmer bezogen. Der neue NRW-Wirtschaftsminister pendelt aus dem belgischen Eynatten nach Düsseldorf. Bis vor wenigen Tagen war Voigtsberger Direktor des Landschaftsverbands Rheinland. Der frisch gekürte Minister hat sich provisorisch eingerichtet. Fotos von seinem Enkelkind stehen auf dem Schreibtisch – Aufnahmen, die er betrachtet, wenn er Kraft tanken will in diesen hektischen Tagen. Seinen Gästen bietet Voigtsberger belgische Waffeln an.

Sie standen an Ihrem ersten Arbeitstag beim Still-Leben auf der A40 im Stau, wie hat es Ihnen gefallen?

Voigtsberger: Das war in der Tat der beste Stau meines Lebens! Es war ein wirklich tolles Erlebnis, so etwas gibt es nur im Ruhrgebiet, in München oder Stuttgart wäre das undenkbar. Ich habe mich besonders gefreut über die vielen, vielen Helfer, die das Ganze erst möglich gemacht haben. Großes Kompliment an alle Organisatoren und Ehrenamtlichen.

Und das machen wir jetzt jedes Jahr?

Voigtsberger: Ich denke, man sollte es auf jeden Fall wiederholen, in welchem Rhythmus, darüber müssen wir noch nachdenken.

Wie sollen wir Sie ansprechen, als Bau-, Verkehrs- oder Energieminister?

Voigtsberger: Ich möchte keine Wertigkeit meiner Zuständigkeit abgeben, alle Bereiche sind gleich wichtig. Aber ich merke schon, dass die Menschen mich meist als Wirtschaftsminister ansprechen. Ich denke, das hat auch etwas mit der Finanzkrise und der allgemeinen Verunsicherung zu tun.

Für Sie ist das neue Amt, zumindest was das Büro angeht, ein Abstieg. Beim Landschaftsverband in Köln hatten Sie in luftiger Höhe ein Büro mit Blick auf den Dom und den Rhein.

Voigtsberger: In der Tat war das nur vergleichbar mit dem Blick auf den Eiffelturm in Paris. Aber man kann nicht alles haben. Ich freue mich auf meinen neuen Job.

Waren Sie überrascht, als Sie den Anruf von Hannelore Kraft bekamen?

Voigtsberger: Ja, ziemlich. Ich musste schon einmal tief durchatmen.

Wie lange hatten Sie Bedenkzeit?

Voigtsberger: Ich wollte schon gerne eine Nacht darüber schlafen, das hat mir Hannelore Kraft auch zugebilligt, allerdings nur mit einer Stunde Schlaf.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie kritisiert den Koalitionsvertrag scharf und sieht den Industriestandort NRW in Gefahr.

Voigtsberger: Das sehe ich nicht so. Für uns ist allerdings Nachhaltigkeit ein wichtiger Punkt. Und dazu gehört auch, die Menschen bei bestimmten Entscheidungen und Projekten mitzunehmen.

Industrieprojekte sind in Deutschland doch kaum mehr gegen die Bevölkerung durchsetzbar.

Voigtsberger: Das meine ich mit Nachhaltigkeit. Es nützt doch nichts, wenn es zehn Jahre dauert, bis wir ein Projekt durchbekommen haben, das ständig beklagt wird. Ich denke, dass wir als rot-grüne Koalition die große Chance haben, das zu verändern und alle Gruppen einzubeziehen, um Lösungen zu finden.

Das ist also gemeint mit der Koalition der Einladungen?

Voigtsberger: Ja, ich denke schon. Das Angebot ist jedenfalls ernst gemeint.

Wird das Eon-Steinkohlekraftwerk in Datteln zu Ihrer Regierungszeit fertig gebaut?

Voigtsberger: Das weiß ich nicht. Das ist im Wesentlichen eine juristische Frage.

Die hohen Energiepreise brennen sowohl der Stahl- als auch der Chemieindustrie auf den Nägeln. Was halten Sie von einer Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, damit es niedrigere Preise gibt?

Voigtsberger: Überhaupt nichts. Ich bin strikter Gegner der Atomenergie. Diese Technologie lässt sich für mich am ehesten vergleichen mit einem Flugzeug, das gestartet ist, dessen Pilot aber noch nicht weiß, wie er landen soll.

Formulieren Sie bitte eine Überschrift über Ihre Amtszeit als Wirtschaftsminister.

Voigtsberger: Die Zukunftsfähigkeit für dieses Land herstellen.

Voigtsberger in seinem neuen Büro im NRW-Wirtschaftsministerium. Die Büste hat er selbst mitgebracht. Foto: Kai Kitschenberg
Voigtsberger in seinem neuen Büro im NRW-Wirtschaftsministerium. Die Büste hat er selbst mitgebracht. Foto: Kai Kitschenberg © WAZ FotoPool

Soll sich NRW auch für die Klima-Expo 2020 bewerben?

Voigtsberger: Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, die Klima-Expo in dieses Land zu holen. Wir haben hier mit unseren Unternehmen in Sachen Klimaschutz ausgezeichnete Chancen und herausragende Innovationen.

Im Ruhrgebiet ist eine Öko-Stadt, die Innovation-City, geplant. Sollte man das nicht für die Klima-Expo nutzen?

Voigtsberger: Sicher. Alle guten Ideen sind uns willkommen.

Sie sind Flugzeugbauingenieur. Und trotzdem haben Sie Verständnis dafür, dass die rot-grüne Koalition den Flugverkehr beschränkt?

Voigtsberger: Auch hier gilt: Für eine Nachhaltigkeit müssen wir die Menschen mitnehmen. Schließlich liegen unsere Flughäfen nicht in der Wüste, sondern in dicht besiedelten Gebieten. Dennoch ist auch klar, dass wir leistungsstarke und lebensfähige Flughäfen hier in NRW benötigen.

Welche Projekte schweben Ihnen beim Straßenbau vor?

Voigtsberger: Ich denke, dass die Instandhaltung des bestehenden Straßennetzes für uns Priorität haben muss. Des Weiteren glaube ich, dass es noch nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, Verkehr auf die Schiene zu verlagern.

Wann kommt der Rhein-Ruhr-Express?

Voigtsberger: Ich bitte um die übliche Hundert-Tage-Frist. Ich habe jetzt zunächst alle Abteilungsleiter meines Ministeriums gebeten, mir über die aus ihrer Sicht zentralen Themen zu berichten. Der Rhein-Ruhr-Express ist jedenfalls ein wichtiges Projekt, um die Mobilität im Ruhrgebiet zu verbessern und daher auch notwendig.

Die Aufgabe des öffentlichen Personennahverkehrs wird der Staatssekretär der Grünen Horst Becker übernehmen?

Voigtsberger: Ja, wir kennen uns schon sehr lange und gut. Herr Becker wird sich aber nicht nur mit der Schiene, sondern mit allen Aspekten der Verkehrspolitik befassen.

Sie mussten weite Teile Ihrer Energie-Abteilung an das Umweltministerium des Grünen Johannes Remmel abgeben. Schmerzt Sie das?

Voigtsberger: Wenn es ein Ministerium für Umwelt- und Klimaschutz gibt, ist es nachvollziehbar, diesen Bereich mit einzugliedern.

Bisher gab es in jeder Regierung Kämpfe zwischen dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium. Wie geht das in diesem Fall aus?

Voigtsberger: Wir sind in dieser Regierung mit einem neuen Kommunikationsstil angetreten. Ich bin mir sicher, dass wir zu guten Lösungen finden werden. Inwieweit sich Streitpunkte entwickeln, muss sich zeigen. Diese Regierung ist aber auf Konsens und Gemeinschaftlichkeit angelegt.

Apropos Gemeinsamkeit: Sie gelten als das Angebot für die Liberalen.

Voigtsberger: (lacht) Das liegt vielleicht daran, dass wir im Landschaftsverband in einer Ampelregierung sehr gut zusammengearbeitet haben.

Und wie haben Sie das geschafft?

Voigtsberger: Wir haben sehr viel miteinander diskutiert. Das hat vielleicht auch etwas länger gedauert als üblich, dafür sind die Ergebnisse später sehr haltbar und tragfähig gewesen.