Berlin. .

Nachrichtenmoderator Steffen Seibert verlässt seinen Sender und wird überraschend neuer Sprecher der Bundesregierung in Berlin. Der Fernsehjournalist trete die Nachfolge von Ulrich Wilhelm am 11. August an, teilte das Bundespresseamt mit.

Vor Jahren wurde der Fernsehjournalist Steffen Seibert in einem Montagsmagazin danach gefragt, wie er am besten entspannen könne. „Mit den Füßen in einem fließenden Gewässer“, lautete die Antwort. So gesehen fügt sich der jüngste Karriereschritt des ZDF-Nachrichtenmoderators ins Bild.

Angela Merkel und ihre Regierung haben seit Amtsantritt einen Strom der mittelprächtigen bis schlechten Nachrichten anschwellen lassen, in dem nicht nur die Popularitätswerte des Junior-Partners FDP längst davongespült wurden. Auch der CDU-Kanzlerin selbst steht in und außerhalb ihrer Partei das Wasser bis zum Hals. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause hat Merkel am Samstag den Schleusenwärter Seibert eingestellt. Auf dass der mal reißende, mal träge Regierungsfluss endlich in ein gleichmäßig kommunikatives Bett geraten möge.

Bekennender Wechselwähler

Als Nachfolger des in die Intendanz des bayerischen Rundfunks strebenden Ulrich Wilhelm wird der 50-Jährige, der höchstens wie 40 aussieht, am 11. August das Amt des Bundesregierungssprechers übernehmen. Eine Personalie, die einerseits überrascht. Seibert ist weder christdemokratisch gebunden, auch wenn er einst die evangelische Kirche verließ, um später in die katholische einzutreten, sondern bekennender Wechselwähler; Ausnahme: Linkspartei. Noch steht er in dem begründeten Verdacht, die Innereien des wetterwendischen Berliner Polit-Zirkus zu kennen. Andererseits, so sagen dem Broterwerb des „Verkaufens“ von Regierungspolitik Nahestehende, biete Seibert genau das, woran es der ramponierten schwarz-gelben Bundesregierung so sehr gebricht: „Ein neues, frisches Gesicht, das Glaubwürdigkeit, Seriosität und einen immens hohen Bekanntheitsgrad verbindet.“

„Ich nehme diese Aufgabe gerne an“

Letzteren für sich nutzbar zu machen, soll dann auch Merkels Hauptmotiv gewesen sein, Seibert zu fragen. Und nicht einen aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen oder Vertrauten. Wenn der dreifache Familienvater, der mit einer bildenden Künstlerin verheiratet ist und in Wiesbaden lebt, demnächst als 1. Verlautbarer vor die Kameras tritt, Misserfolge gekonnt verkleistert und Erfolge laut herausstreicht, wird mancher Zuschauer womöglich nicht feinsäuberlich trennen: zu jenem Seibert, der seit 2003 der „Anchorman“ der „heute“-Nachrichten ist und seit drei Jahren auch das „heute-journal“ moderiert. Zu jenem Seibert, dem Mann der Zahlenkolonnen und Prozente-Torten bei Landtags- und Bundestagswahlen. Zu jenem Seibert, der nach seinem Volontariat vor über 20 Jahren beim ZDF auch den Boulevard in Formaten wie „Morgenmagazin“ und „Hallo Deutschland“ ausgiebig abgeschritten hat.

Wie und ob dem Journalisten des öffentlich-rechtlichen Systems der Seitenwechsel gelingen kann, ist noch die Frage. Er selbst hat sich bis Amtsantritt eine Nachrichtensperre in eigener Sache verordnet und steuerte am Wochenende nur diesen einen inhaltlich etwas unterzuckerten Satz bei. „Ich nehme diese Aufgabe gerne an, weil ich überzeugt bin, dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setzt, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern.“

Glorienschein verblasst

Dass die Handlungsspielräume eines Regierungssprechers Grenzen haben, dürfte dem bisherigen Politik-Beobachter Seibert geläufig sein. Klaus Bölling, der zu Zeiten von Bundeskanzler Helmut Schmidt das Amt so sehr ausfüllte, dass er bis heute als Referenz-Größe gilt, gab diesbezüglich jüngst in einem Zeitungsbeitrag eine eher pessimistische Prognose ab: „Eine andere einfache Erkenntnis heißt nämlich, dass der Regierungssprecher – und sei er noch so talentiert – nichts ausrichten kann, wenn das Produkt, die Regierungsarbeit, kaum noch zu verkaufen ist. Der Glorienschein der Angela Merkel ist nun sehr verblasst. Da ist der Verkäufer machtlos.“