Washington. .
Mit dem Austausch der Spione in Wien geht ein filmreifer Ost-West-Thriller zu Ende. Die zehn russischen Spione wurden nach einem Schuldbekenntnis abgeschoben. Jetzt sollen sie in Russland ein schönes Leben führen.
Neun Mal „Ja“, ein Ja als Schuldbekenntnis – und dann, ein langes Zögern. Vicky Pelaez, die einzige Nicht-Russin in den Reihen der zehn Angeklagten, hätte den Weg zum spektakulärsten Agentenaustausch seit Ende des Kalten Krieges fast noch scheitern lassen. Die Neigung der gebürtigen Peruanerin und eingebürgerten US-Amerikanerin, sich ins fremde Russland ausweisen zu lassen, war erkennbar gering ausgeprägt. Doch Moskaus Emissäre machten Pelaez in der Haftzelle ein Angebot, das sie am Ende annahm: Freies Wohnen, Reisevisa für sich und ihre zwei Söhne sowie eine lebenslange Rente von 2000 Dollar monatlich.
Politischer Handel im Eiltempo
Die Schuldbekenntnisse in einem New Yorker Gerichtssaal waren die Voraussetzung für die filmreife Blitz-Abschiebung der Spione, die aus der Kälte kamen. „Die Sätze klingen vernünftig“, meinte Richter Kimba Wood, nachdem sich die Angeklagten schuldig bekannt und ihren wahren Namen offenbart hatten. Wood segnete juristisch einen politischen Handel ab, den Moskau und Washington an allerhöchster Stelle im Eiltempo vereinbart hatten. Gerade elf Tage nach ihrer Enttarnung wurden Moskaus Vorstadt-Spione kurz nach der Verhandlung im Gerichtssaal in ein Charter-Flugzeug Richtung Wien gesetzt. Mit an Bord waren US-Polizisten, die ihre Häftlinge am Freitagmorgen in Wien russischen Kollegen übergaben.
Damit ging eine Spionagegeschichte zu Ende, die Amerika in Bann gehalten hatte. „Ich bin russische Staatsbürgerin“, sagte Elena Vavilova, die sich in den USA als Franko-Kanadierin ausgegeben und jahrelang unter dem Falschnamen Tracy Foley alle Welt getäuscht hatte. „Von 1999 bis heute nahm ich Befehle einer fremden Regierung, der russischen Föderation, an“, sagte die 47-Jährige vor Gericht, die in Russland nun angeblich Lehrerin werden will.
Auch Ehemann Andre (49), den die Nachbarn in Cambrigde nur als Donald Heathfield kannten, räumte ein, all die Jahre unter falscher Identität gelebt zu haben. Dass sich beide nach den Worten ihres Anwalts vom raschen Austausch bessere Beziehungen zwischen Russland und den USA erhofften, ließ die Zuhörer im Gericht doch leicht schmunzeln. Ihre beiden 16 und 20 Jahre alten Söhne waren schon vor Tagen voraus geflogen, warteten in Russland auf die Ankunft der Eltern.
20 Jahre Haft drohten
Nie mehr im Leben, so das Gericht, dürfen die geständigen Ex-Spione, die in Massachusetts, in New York, im benachbarten New Jersey und in Virginia zumeist das typische Leben amerikanischer Mittelstandsfamilien lebten, zurück in die USA. Ihre Häuser, mit Moskaus Geld gekauft, ihre Bankkonten und Autos werden beschlagnahmt. Rentenansprüche verfallen. Sollten sie vorhaben, ihre Geschichte zu verkaufen oder Memoiren zu schreiben, müssen sie etwaige Gewinne abführen. Im Gegenzug ließ Richter Wood eine drohende Anklage wegen Geldwäsche, den gewichtigsten Anklagepunkt, fallen. Bis zu 20 Jahre Haft hätte den Agenten des russischen Auslandsgeheimdienstes allein dafür gedroht. Wegen Spionage waren sie ohnehin nicht angeklagt. Streng Geheimes, so die offizielle US-Version, war ihnen nicht in die Hände gefallen. Jahrelang hatte das FBI die Gruppe überwacht. US-Justizminister Eric Holder sprach von einem „herausragenden Fall“, dessen rasche Lösung im Interesse der USA sei.
Auch Anna Chapman, die unter ihrem Klarnamen in den USA lebte, stimmte dem Deal zu. „Ja, Euer Ehren“, räumte sie die Vorwürfe in akzentfreiem Englisch ein. Nervös strich sich die 28-Jährige, die Amerikas Revolverpresse zur modernen Mata Hari mit ausgeprägtem Sex-Appeal überhöht hatte, immer wieder Strähnen ihrer wilden Mähne aus dem Gesicht.
KGB-Offizier als Vater
Nach Angaben ihres Anwalts hofft die hübsche Tochter eines KGB-Offiziers, die in New York zur Tarnung ein Online-Maklergeschäft aufzog und sich daneben als Partylöwin in Manhattan einen gewissen Ruf erwarb, in absehbarer Zeit wieder nach England, wo sie schon einmal gelebt hatte, zurückkehren zu können. Eine Hoffnung, die sich nicht zwingend erfüllen muss. Londons MI 5 hegt längst den Verdacht, dass Anna auch schon auf der britischen Insel kräftig ihrem Hauptgewerbe nachging.