Berlin. .

Die Gräben zwischen SPD und Grünen auf der einen und der Linkspartei auf der anderen Seite sind durch die Umstände der Bundespräsidentenwahl offensichtlich noch tiefer geworden.

Mit teilweise wüsten Worten attackierten sich gestern führende Vertreter und wiesen sich gegenseitig die Schuld dafür zu, dass der schwarz-gelbe Kandidat Christian Wulff siegte. Wie berichtet, hatten die Spitzen von SPD, Grünen und Linken am Mittwochnachmittag nach dem Scheitern Wulffs in den ersten beiden Wahlgängen Gespräche über ein konzertiertes Vorgehen geführt. Rot-Grün forderte die Linke auf, den Gegenkandidaten Joachim Gauck mitzuwählen. Die lehnte ab, brachte zwischenzeitlich die Nominierung eines neuen gemeinsamen Kompromiss-Kandidaten (Klaus Töpfer) ins Spiel. Was für SPD und Grüne ein Unding war. Am Ende zog die Linke zwar ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurück, 121 von 124 linken Wahlleuten enthielten sich aber in der Abstimmung. SPD wie Grüne sagten der Linkspartei daraufhin „Politikunfähigkeit“ nach, sie verharre in ihrem „ideologischen Schneckenhaus“.

„Problembär“ Gabriel

Gestern kam der Konter von der Linken-Partei-Doppelspitze. Klaus Ernst bezeichnete SPD-Chef Sigmar Gabriel als „Problembär“, der Gauck absichtsvoll verheizt habe. Seine Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch beschwerte sich, dass SPD und Grüne nie aufrichtig den Versuch unternommen hätten, einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. Dazu warf sie Gabriel „schlechten Stil“ vor. Allen außer den Linken habe er per SMS die Personalie Gauck offeriert; wissend, dass der Ex-Chef der Stasiunterlagenbehörde für viele Linke in Ostdeutschland eine Provokation darstelle.

Ein Argument, das der thüringische Fraktionschef der Linken, Bodo Ramelow, im Gespräch mit dieser Zeitung erhärtete: „Gaucks Aussage, die Linke sei noch immer nicht im europäischen Haus angekommen, hat viele unserer Wähler geradezu entsetzt. Die hätten wir irreparabel verprellt, wenn wir für Gauck gestimmt hätten.“

Trotz des Zerwürfnisses wegen Gauck halten die Linken Äußerungen der Grünen-Chefin Claudia Roth für überzogen, wonach die Chance für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Rot-Rot-Grün vertan sei. Punktuell, etwa bei der Bekämpfung des schwarz-gelben Sparpakets im Herbst, so Ernst, könne man sich eine Zusammenarbeit in der Opposition sehr wohl vorstellen.

Umso unangenehmer war Ernst und Lötzsch eine Aussage ihres Abgeordneten-Kollegen Dieter Dehm. Der hatte im Reichstag auf die Journalisten-Frage, ob die Linke für Gauck stimmen könne, gegengefragt: „Was würden Sie tun, wenn Sie die Wahl hätten zwischen Hitler und Stalin, zwischen Pest und Cholera?“ Gestern entschuldigte sich Dehm. SPD und Grünen reicht das nicht. Sie haben den Ältestenrat des Bundestages eingeschaltet.