Karlsruhe..

Bei Verdacht auf Trunkenheit am Steuer muss die Polizei vor der Entnahme einer Blutprobe weiterhin grundsätzlich einen Richter einschalten. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht stärkt den sogenannten Richtervorbehalt: Bei Verdacht auf Trunkenheit am Steuer muss die Polizei vor der Entnahme einer Blutprobe weiterhin grundsätzlich einen Richter einschalten. Laut den Karlsruher Richtern solle so eine effektive Kontrolle der Ermittlungsmaßnahme durch eine „unabhängige und neutrale Instanz“ gewährleistet werden, hieß es in der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung. Nur bei „Gefahr im Verzug“ - wenn also durch eine Verzögerung der Untersuchungszweck gefährdet würde - dürften die Ermittler die Blutentnahme ausnahmsweise selbst anordnen.

Die Verfassungsbeschwerde einer bayerischen Autofahrerin, der auf Anordnung der Polizei ohne Einschaltung eines Ermittlungsrichters Blut entnommen worden war, war insoweit erfolgreich. Sie sei in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt worden. Die nach einem Atemalkoholtest erfolgte Blutprobe ergab bei ihr einen Wert von 1,69 Promille.

Das Amtsgericht Schwabach und das Landgericht Nürnberg-Fürth hielten das eigenmächtige Vorgehen der Polizei für rechtmäßig. Eine zeitnahe Blutentnahme sei generell zur Sicherung der Beweise geboten. Würde ein Richter eingebunden, käme die Blutentnahme „regelmäßig zu spät“. Denn eine Entscheidung des Ermittlungsrichters könne nur mit erheblicher Zeitverzögerung fallen, weil sie schriftlich begründet sein müsse.

Präsident des Bundesgerichtshofs gegen Richtervorbehalt

Das Verfassungsgericht betonte hingegen, dass ein Betroffener Anspruch darauf habe, „dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Blutentnahme umfassend und eigenständig prüfen“. Damit vertrat das Verfassungsgericht auch eine andere Auffassung als der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Klaus Tolksdorf.

Tolksdorf hatte im Februar für die Abschaffung des Richtervorbehalts bei einer Blutprobe plädiert. Er halte die grundsätzliche Pflicht der Polizei, vor der Entnahme einer Blutprobe einen Richter zu kontaktieren, für nicht sinnvoll, sagte Tolksdorf damals beim Jahrespresseempfang des BGH. Es gehe schließlich um ein „Massenphänomen“ in der Strafjustiz, und die Blutprobenentnahme sei ein weitgehend harmloser Eingriff.

Getrennt lebender Ehemann hatte Polizei informiert

„Was soll es helfen, wenn die Polizei schnell mal einen Richter anruft?“, sagte Tolksdorf. Es sei „fraglich, welchen Sinn der Richtervorbehalt hat, wenn ein Richter ohne eigene Anschauung die Entscheidung über die Anordnung der Blutprobe treffen soll“. Zu befürchten sei dadurch eher eine „Trivialisierung“ des sonst im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sinnvollen Richtervorbehalts.

Im vorliegenden Fall hatte der von der Beschwerdeführerin getrennt lebende Ehemann die Polizei verständigt, dass sie mit ihrem Pkw gefahren sei, obwohl sie nach Alkohol gerochen und glasige Augen gehabt habe. Er teilte mit, dass sie ein Alkoholproblem habe. Eine halbe Stunde später war die Polizei an der Wohnung der Frau, verschaffte sich nach erfolglosem Klingeln über einen Zweitschlüssel des Vermieters Zutritt und durchsuchte die Wohnung. Etwa 35 Minuten nach einem Atemalkoholtest wurde der Frau auf dem Polizeirevier auf Anordnung eines Polizeibeamten von einem Arzt Blut entnommen. Sie hielt auch die Durchsuchung für rechtswidrig, hatte insoweit aber mit ihrer Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg.(ddp)