Berlin. .

Joachim Gauck hat verloren - und ist doch der wahre Gewinner dieser Wahl. In der Bevölkerung eine Begeisterung ausgelöst hat wie kein Oppositionskandidat zuvor.

Getragen von einer großen Welle der Sympathie hat der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck. den schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff in der Bundesversammlung in den dritten Wahlgang gezwungen und der Koalition damit eine schwere Niederlage beigebracht. Dass er am Ende unterliegen würde, hatte Gauck erwartet. Dass es eine so triumphale Niederlage sein würde, eher nicht. Egal wie es ausgeht: „Ich werde in jedem Fall glücklich sein“, hatte er noch kurz vor der Wahl erklärt. „Was wir erlebt haben, ist ein Geschenk für uns alle!“

Als parteiloser Kandidat von SPD und Grünen hat Gauck bei der Wahl Unterstützung weit über das rot-grüne Lager hinaus erfahren. Im ersten Wahlgang stimmten mindestens 39, im zweiten Wahlgang mindestens 30 Delegierte anderer Parteien für 70-Jährigen, der in der Bevölkerung eine Begeisterung ausgelöst hat wie kein Oppositionskandidat zuvor. Die Linke wollte ihn trotzdem nicht wählen: Obwohl sie ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurückgezogen hatte, kam Gauck im dritten Wahlgang nur auf 494 Stimmen - und damit nur auf 34 mehr, als SPD und Grüne auf die Waage brachten. Die Delegierten feierten ihn trotzdem mit minutenlangem Applaus.

Hohe Wertschätzung von Merkel

Das Ergebnis gilt als Denkzettel für Kanzlerin Angela Merkel, die bei der Auswahl von Christian Wulff so klar auf das parteipolitische Profil des Kandidaten setzte. Das per SMS unterbreitete Angebot von SPD-Chef Sigmar Gabriel, Gauck als gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren, hatte sie Ende Mai knapp zurückgewiesen - obwohl weithin bekannt ist, wie groß ihre Wertschätzung für den Pastor aus Rostock ist, den sie noch im Januar in einer Rede zu seinem 70. Geburtstag als Freiheitsdenker gelobt hatte.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, hat öffentlich die Frage gestellt, warum Merkel Gauck nicht selbst vorgeschlagen hat, der mit seinen teils durchaus konservativen Ansichten auch in der Union viele Freunde hat. Fest steht: Die CDU-Vorsitzende wollte nach dem Rücktritt von Horst Köhler, dem Außenseiter, einen Profi, der den Politikbetrieb kennt. Am Ende aber war es genau das, was viele gegen ihren Kandidaten Wulff ins Feld führten. Gauck bringe ein Leben mit, Wulff dagegen nur eine politische Laufbahn, ätzte Gabriel.

Nun ab in die Ferien an der Ostsee

Dass FDP-Chef Guido Westerwelle den Vorschlag Merkels so unkritisch abnickte, hatten ihm viele in seiner Partei übelgenommen. Die offene Ankündigung mehrerer Delegierter aus den Ländern, für Gauck zu stimmen, war die Quittung dafür. Umso größer war in der FDP-Führung die Sorge, ein Scheitern Wulffs könne am Ende vor allem den Liberalen angelastet werden. Davon wollte am Mittwoch niemand mehr etwas hören: Das schlechte Abschneiden des Kandidaten sei „eine Klatsche“ für die, die ihn nominiert hätten, schimpfte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

Für SPD und Grüne ist die Kandidatur von Gauck zu einem großen Erfolg geworden. Als „Präsident der Herzen“ wurde der frühere Leiter der Stasi-Akten-Behörde gefeiert, von allen Seiten hat er Beifall bekommen - außer von der Linkspartei, deren Demokratieverständnis und Regierungsfähigkeit er immer wieder in Zweifel zog.

Doch auch bei SPD und Grünen sind die Positionen des früheren Pastors nicht unbedingt mehrheitsfähig. Für die Freiheit der Wirtschaft hat er geworben, die Integrationspolitik gerügt, Viertel mit „allzu vielen Zugewanderten und allzu wenigen Altdeutschen“ kritisiert. Als „linken liberalen Konservativen“ hat sich Gauck immer wieder bezeichnet.

Ins Schloss Bellevue wird Gauck sowieso kommen. Zum Sommerfest des Bundespräsidenten am Freitag ist er schon seit langem eingeladen. Und im August will er erst einmal Ferien in seiner Heimat Wustrow an der Ostsee machen, hat er der „Süddeutschen Zeitung“ erzählt. „Dann kann ich mit dem alten Fahrrad rumgurken, an den Strand gehen, wie ich will.“