Berlin. .
Telefonieren, SMS, Laptop und jetzt auch noch iPads – im Bundestags-Plenum ist moderne Technik eigentlich nicht erlaubt. Doch kaum einer hält sich daran.
Für die einen war es eine Premiere mit „hohem Nachahmungspotenzial“, für die anderen ein Tabubruch, der „Schlimmes erahnen lässt“. Am Donnerstagabend vergangener Woche begab sich der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz im Reichstag ans Rednerpult und sprach zur Drucksache 17/1781. Thema: Beteiligung des Bürgers an der Gesetzgebung in der EU. Der Liberale aus München redete knapp vier Minuten zum Thema. Aber womit er sozusagen sprach, das ist in aller Munde. Schulz redete weder frei noch las er vom Papiermanuskript ab – sondern von einem iPad. Eine Lesung mit Folgen.
Wie in der Bundestagsverwaltung und in einigen Fraktionen zu hören ist, hält sich die Begeisterung über den Einzug des superflachen, digitalen Multifunktions-Notizblocks in den Reichstag „durchaus in Grenzen“. Das hat vor allem mit dem Prinzip zu tun, das da lautet: Mobile Kommunikationstechnik hat im Hohen Hause nichts zu suchen; jedenfalls nicht während der Debattenstunden in den Händen von Abgeordneten. Da ist was dran. Und auch wieder nicht.
Handys seit 15 Jahren unerwünscht
Wer sich in der Bundestagsverwaltung nach den Usancen erkundigt, wird mit dem Hinweis beschieden, dass etwa der Gebrauch von Mobiltelefonen während der Plenarsitzungen schon seit 15 Jahren unerwünscht ist. Ausgenommen, so kamen das Bundestagspräsidium und der Ältestenrat im November 1995 überein, sind Telefone für gehbehinderte Abgeordnete. 2003 legten die Hüter des Reglements nach und erklärten auch die Nutzung von kleinen, tragbaren Laptop-Computern für unzulässig.
Wer gelegentlich den Volksvertretern auf dem TV-Kanal Phoenix bei der Arbeit zusieht, weiß, dass mit diesen „Verboten“ eher lax umgegangen wird. Das regelmäßige Traktieren des Handys – umgangssprachlich: Simsen – ist bis in die Regierungsbänke hinein weit verbreitet.
Weniger Bürokratie
Und statt vier Kilo Drucksachen soll vereinzelt auch schon mal ein mobiler PC unter die eine oder andere Abgeordnetenbank gerutscht sein, ohne dass großes Aufheben darum gemacht worden wäre. Der Fall Schulz, so scheint es, hat nun eine tiefer gehende Beschäftigung mit den digitalen Hilfsmitteln ausgelöst.
Wie der Heilbronner CDU-Abgeordnete Thomas Strobl gegenüber DerWesten bestätigte, ist der Ausschuss für Geschäftsordnungsfragen des Bundestages vom Ältestenrat aktuell angehalten worden, hier zu einer „gründlich durchdachten Lösung“ zu kommen.
Während der Sommerpause lässt das 13-köpfige Gremium darum umfänglich recherchieren, wie es andere Parlamente „in den Bundesländern, in Europa und vielleicht sogar darüber hinaus“ mit der modernen Technik halten. Strobl, der sich selbst als Angehörigen der Analog-Generation bezeichnet, will die Beratung „ergebnisoffen gestalten“. In Zeiten, in denen zum Beispiel die Digitalisierung von Drucksachen im Parlament als ein segensreicher Beitrag zum Bürokratieabbau gewertet wird, sei man womöglich schlecht beraten, die Nutzung von Geräten wie dem iPad kurzerhand zu untersagen.
Strobl weiß in der Angelegenheit auch um die Bedeutung des Alters und peilt darum eine „Lösung an, die alle Generationen zufriedenstellt“. Wobei eines ihm wichtig ist. Im Parlament, sagt Strobl, sollte vorrangig sein, was einer in der Sache zu sagen hat – und nicht mit welchen Hilfsmitteln er dies tut. Strobl hat dafür eine Formulierung parat, die das Zeug zum geflügelten Wort besitzt: „Der IQ sollte im Mittelpunkt stehen, nicht das iPad.“