Berlin. .

Die Bundesregierung verändert die Regeln bei der Sicherungsverwahrung. 70 bis 80 Schwerverbrecher können mit Entlassung rechnen. Um die Bürger zu schützen, erwägt die Justizministerin den Einsatz von „Fußfesseln“.

Die schärfste Sanktion des Strafrechts wird gelockert: die Sicherungsverwahrung. 70 bis 80 Schwerverbrecher, die bisher weggesperrt wurden, könnten freigelassen werden. Es handelt sich insbesondere um Sexual- und Gewalttäter. Um das Risiko vertreten zu können, erwägt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Einsatz von „Fußfesseln“. Das sind elektronische Geräte, die am Körper angebracht werden - meistens am Fuß - und bis auf fünf Meter erfassen, wo sich jemand aufhält und ob er gegen Auflagen verstößt. Wenn sich abzeichnet, dass er rückfällig wird und sich zum Beispiel einem Kindergarten oder Schule nährt, kann die Polizei einschreiten. Kommt sie zu spät, hilft die „Fußfessel“, den Täter schnell zu fassen und vor Gericht zu bringen. Die Technik kennt man aus den USA, dort meist zur Überwachung von Hausarrest. In Europa hat sie sich in Holland bewährt.

Die Sicherungsverwahrung betrifft die Fälle, in denen ein Häftling weggesperrt wurde, obgleich er die Strafe für die begangene Tat abgesessen hat; im Härtefall für den Rest seines Lebens. Das hält die Ministerin „für nicht rechtmäßig“. Wasser auf ihre Mühlen war ein Urteil von Ende 2009. Damals hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die deutsche Praxis verworfen. Seither sind mehrere Betroffene vor Gericht gezogen, um ihre Freilassung zu erzwingen. Es handelt sich nach den Angaben der FDP-Politikerin um 70 bis 80 hochgefährliche Menschen, die womöglich entlassen werden. Und dann könne es „zu ganz schwierigen Situationen kommen“, weiß Leutheusser-Schnarrenberger. Wer schützt Bürger vor potenziellen Tätern?

Keine Verlängerung der Haft

Der politische Zugzwang durch das Urteil und der Problemdruck sprachen für eine Reform; die erste von Frau Leutheusser-Schnarrenberger . Am 9. Juni legte die Freie Demokratin die Kernpunkte den Experten im Bundestag vor. Gestern stimmte das Kabinett zu. Am Nachmittag warb die Ministerin dafür beim turnusmäßigen Treffen mit ihren Länderkollegen. Es spricht viel dafür, dass sie auch in diesem Kreis eine Mehrheit findet, ehe sie Anfang Juli endgültig einen Gesetzentwurf vorlegt.

Worum geht es ihr? Es soll nicht weiter möglich sein, nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Das ist bislang erlaubt, wenn sich erst nach einem Urteil herausstellt, wie gefährlich ein Täter, wie groß das Risiko eines Rückfalls ist. Stattdessen will die Ministerin den Spielraum der Richter erweitern, beim Urteil die Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt anzuordnen. Das heißt: Der Richter hält sich die endgültige Anordnung offen - künftig auch bei Ersttätern.

Daneben drängt Leutheusser-Schnarrenberger darauf, dass die Justizbehörden der Länder die Therapieangebote erhöhen und die Sicherungsverwahrung anders gestalten als eine Haft. Denn eine reine Verlängerung des Gefängnisaufenthaltes darf sie nicht sein. Sie dient streng genommen der Vorbeugung. Die betroffenen Menschen haben die Strafe für ihre Tat verbüßt.