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Seit 1982 ist der Anteil von Studenten aus niedrigen und mittleren Einkommensschichten stetig gesunken. Erstmals ist er nun wieder leicht gestiegen. 24 von 100 Arbeiterkindern wagten 2009 den Schritt zur Hochschule. Bei der Erhebung 2006 waren es 23 von 100.

Die Bundesregierung sieht eine Trendwende: Dies zeige, „dass junge Menschen aus bildungsfernen Schichten zunehmen den Weg an die Hochschule finden“. Rolf Dobischat, Präsident des Deutschen Studentenwerks, stellt jedoch fest: „Die grundlegende soziale Selektion im deutschen Hochschulsystem ist erschreckend stabil.“

Dem stimmt der Sozialwissenschaftler Michael Hartmann von der TU Darmstadt zu: „Grundsätzlich hat sich nichts verändert.“ Dass zugleich der Anteil der studierenden Akademikerkinder von 83 auf 71 Prozent gesunken sei, liege offenbar daran, dass auch diese Gruppe an ihre finanziellen Grenzen stoße. „Akademiker sind nicht mehr automatisch Topverdiener. Man findet sie auch in mittleren Einkommensschichten. Daher könnte ihr Anteil weiter sinken.“

„Vor einer Hürde“

Grund sind die hohen Kosten eines Studiums. Dobischat: „Schafft es ein Kind trotz der sozialen Selektion im Schulsystem aus einer hochschulfernen und einkommensschwächeren Familie zur Hochschule, dann steht es schon wieder vor einer Hürde.“ Gemeint sind die Studiengebühren von meist 500 Euro pro Semester, die in sechs Bundesländern anfallen. Knapp die Hälfte aller Studierenden müssen Gebühren zahlen, für 60 Prozent der Betroffenen zahlen die Eltern, 30 Prozent bezahlen mit eigenem Verdienst, elf Prozent nehmen ein Darlehen auf. Das im Vergleich zu 2006 deutlich gestiegene Bafög helfe zwar, die Zahl der Geförderten sei aber kaum gestiegen. Von einer „sozial offenen Hochschule“ sei man daher weit entfernt.

„Das Wichtigste wäre eine deutliche Bafög-Erhöhung, das ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Hartmann. Zugleich wäre eine Abschaffung der Gebühren richtig, denn „die Angst vor Verschuldung ist gerade in Arbeiterhaushalten groß.“ Studentenvertreter, Gewerkschaften und Opposition sehen in den Ergebnissen der Sozialerhebung eine klare Kritik an der Bundesregierung. Die Bildungsgewerkschaft GEW spricht von einem „Armutszeugnis“. Kai Gehring, Bildungsexperte der Grünen im Bundestag: „Es ist skandalös, dass der Bildungsstand der Eltern die wichtigste Rolle für den Bildungsaufstieg ihrer Kinder spielt.“

Die Landesregierung verweist auf ihre soziale Gebührenregelung. „Wer 300 Euro Bafög erhält, zahlt faktisch keine Gebühren“, so ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums. „Sie haben also keine zusätzlichen Kosten und profitieren doch von den besseren Studienbedingungen.“