Essen. .

Der Tod von Dominik Brunner an einem Münchener S-Bahnhof ist vielleicht das schockierendste Beispiel für Gewalt im öffentlichen Verkehr. Vertreter von Bus, Bahn, Polizei und anderen diskutierten am Donnerstag in Essen mögliche Lösungen - auch ein Alkoholverbot.

Etwa 60 Vertreter von Bus, Bahn, Polizei, privaten Sicherheitsunternehmen und aus der Politik kamen am Donnerstag ins Essener Colosseum Theater, um eines ihrer größten Probleme zu diskutieren: die Gewalt in und um Bus und Bahn. Nach der ganztägigen Konferenz hatten sie einige wenige Antworten gefunden - und viele Fragen aufgeworfen. Auch die: Hilft ein Alkoholverbot?

Conrad Glass ist zu beneiden. Glass ist Polizist, musste in seinen 22 Dienstjahren aber - toi, toi, toi - noch keinen einzigen Menschen festnehmen. Die einzige Gefängniszelle an seinem Arbeitsplatz blieb stets leer. Wäre er am Donnerstag anwesend gewesen, hätte er den Konferenzteilnehmern erklären können, woran das vor allem liegt: Die Insel Tristan de Cunha, sein Arbeitsplatz, liegt tief im Atlantik - und zählt nur knapp 300 Bewohner.

Fall Dominik Brunner bleibt unvergessen

Der in München zu Tode geprügelte Dominik Brunner erhielt posthum einen Preis für Zivilcourage. Foto: ddp
Der in München zu Tode geprügelte Dominik Brunner erhielt posthum einen Preis für Zivilcourage. Foto: ddp © ddp

Die Realität in Deutschland sieht anders aus – auch und besonders in den öffentlichen Verkehrsmitteln: Am 8. Mai pöbeln Betrunkene im Regionalexpress von Düsseldorf nach Aachen einen Familienvater an, nachdem der sie gebeten hat, das Rauchen einzustellen. Im Metronom zwischen Hamburg und Bremen schlagen drei Männer ohne Fahrschein eine Zugbegleiterin krankenhausreif und belästigen sie sexuell. Unvergessen schließlich der Fall des 50-jährigen Dominik Brunner, der am Münchener S-Bahnhof Solln im September 2009 zu Tode geprügelt wurde, als er anderen Jugendlichen zu Hilfe eilte.

Sicher auch unter dem Einfluss dieser Eindrücke hieß es beim ersten landesweiten Kongress in Essen immer wieder: Die Gewalt nimmt zu. Zumindest aber die Qualität der Gewalt. Allein – und dieses Problem formulierte niemand so direkt wie Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW: „Uns fehlt ein gemeinsames Lagebild. So wie im Fußball die ZIS.“ Diese Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze sammelt bundesweit Daten der Straftäter im Rahmen von Sportveranstaltungen.

In Holland haben Kontrolleure Handschellen dabei

Klar ist lediglich: Das Problem ist da. Für den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr hat Vorstandssprecher Martin Husmann im vergangenen Jahr 11.703 Übergriffe auf Personen gezählt, davon mehr als jeder fünfte gegen das Betriebspersonal. Wie „pragmatisch“ die Niederlande auf ähnliche Zustände reagiert haben, erklärte die Sicherheitschefin der Rotterdamse Electrische Tram (RET), Beatrix Lourens: Kontrolleure haben durch ein Gesetz deutlich mehr Befugnisse zugesprochen bekommen. Konkretes Beispiel: Sie dürfen Handschellen bei sich tragen - und auch anwenden. „Bei uns undenkbar“, sagte Udo Tönjann aus dem NRW-Innenministerium. „Die Innenministerkonferenz hat sich klar dagegen ausgesprochen, das staatliche Gewaltmonopol anzutasten.“

Dieses Monopol liegt bei der Polizei. Der aber fehlen, wie der stellvertretende GdP-Landeschef Plickert erläuterte, die personellen Ressourcen, um noch präsenter zu sein in Bus und Bahn. Verkehrsunternehmen greifen daher seit Jahren auch auf private Sicherheitsdienstleister zurück. Waldemar Marks ist Arbeitsdirektor des privaten Securitas Konzerns in Deutschland. Er fordert mehr Befugnisse für seine Kollegen. Doch das Nein-Argument gibt er sich sogleich selbst: das staatliche Gewaltmonopol. Straftaten verfolgen, Gewalt einsetzen - das darf nur die Polizei.

Alkoholverbot - das Problem ist die Kontrolle

Eine andere Maßnahme hat die jüngste Innenministerkonferenz indes befürwortet: ein Verbot des Alkoholkonsums in den öffentlichen Verkehrsmitteln. „Metronom hat im Norden ein solches Verbot eingerichtet“, erzählte Udo Tönjann vom NRW-Innenministerium, „und damit gute Erfahrungen gemacht“. Auch Martin Husmann vom VRR ist ein Fürsprecher: „Ich denke, damit hätten wir ein wesentliches Problem gelöst.“ Einführen kann es aber nicht der VRR als Verkehrsverbund, sondern nur jedes einzelne seiner 27 kommunalen Verkehrsunternehmen. „Und dann gibt es da ja auch noch ein Durchsetzungsproblem“, ergänzt Husmann. Die Einhaltung müsse schließlich auch kontrolliert werden. Wer macht’s? Wer zahlt’s?