Washington. .

US-Präsident Barack Obama will die Öl-Katastrophe nutzen, um sein Land zu modernisieren. Bei seinen Vorstellungen zur Energiewende blieb der Präsident jedoch ungewohnt vage und vorsichtig.

US-Präsident Barack Obama hatte seine blaue Krawatte angelegt und im Oval Office, der Herzkammer der Macht im Weißen Haus, Platz genommen. Eingerahmt von seinem Hochzeitsfoto auf der rechten Seite und den Bildern seiner Frau Michelle und den beiden Töchtern wandte er sich in der Nacht zu Mittwoch an die Nation. Der Präsident signalisierte: Die Lage ist sehr ernst.

An diesem Schreibtisch, in diesem Büro, zwischen seinen Familienbildern, saß auch George W. Bush und sprach zum Volk nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Hier verkündete er die Zeitenwende – den Krieg gegen den Terror, die Invasion in Afghanistan. Auch Obama nutzte Kriegsrhetorik. Er sprach vom „Angriff auf unsere Küsten“. Es ist sein Krieg am Golf, ein Öko-Krieg und seine Wende – die Energiewende.

Schon kurz zuvor hatte Obama in einem Interview Parallelen gezogen zum großen Trauma der Amerikaner. „In der gleichen Weise, wie unsere Sicht auf unsere Verwundbarkeit und Außenpolitik tiefgreifend durch 9/11 geformt wurde, wird diese Katastrophe verändern, wie wir über die Umwelt und Energie für viele Jahre denken“, hatte er gesagt und damit betont, wie ernst das Weiße Haus die Öl-Pest nach anfänglichem Zögern nimmt.

Doch ob ihm der Einstieg in eine Energiewende gelingt, hängt ganz entscheidend vom amerikanischen Volk ab. Bislang wurden alle Appelle, Vorschläge und Pläne vom Energiehunger der Amerikaner buchstäblich aufgefressen. Die 300 Millionen Amerikaner verbrauchen ein Viertel des weltweiten Öls, stellen aber nur fünf Prozent der Weltbevölkerung. Anders gesagt: Die etwa 8200 Tonnen Öl, die nach neuen Schätzungen auch weiter pro Tag ins Meer strömen, reichen aus, um den Energiebedarf von Texas für etwa 20 oder 30 Minuten zu decken.

Energiesparen ist im Land der unbegrenzten Spritfresser und ungezählten Klimaanlagen kein Thema. Der ungezügelte Fortschritts- und Freiheitsglaube der Amerikaner reagiert auf Einschränkungen aller Art mit größtmöglicher Ablehnung. Das hat Obama bereits erfahren müssen. Sein Klimapaket, das ein kleiner Schritt hin zu einer Energiewende hätte sein können, liegt auf im Kongress auf Eis, dafür lockerte Obama kurz vor der Katastrophe die Regeln für Ölbohrungen im Meer.

Nun versucht der Präsident, die nationale Katastrophe nicht nur zu begrenzen. Er will sie nutzen, um Amerika zu modernisieren. Gleichzeitig will er deutlich machen, dass er nicht planlos vor dem Desaster steht, sondern das Spiel bestimmt. Die Ansagen und Forderungen an BP waren deutlich und ließen keine Fragen offen. Er will, dass BP einen Treuhandfonds einrichtet, der auf keinen Fall von BP selbst kontrolliert wird, und der alle von der Katastrophe betroffenen Menschen und Unternehmen entschädigen muss. Ob der Konzern die Milliarden-Forderungen schultern kann, ist ungewiss.

Bei seinen Vorstellungen zur Energiewende blieb der Präsident ungewohnt vage und vorsichtig. Wie Obama die grüne amerikanische Revolution einleiten und gestalten will, ließ er offen.

Die Katastrophe am Golf sei die „schmerzlichste und stärkste Ermahnung“, endlich auf saubere Energie umzusteigen, sagte Obama. Und: „Wir können unseren Kindern nicht solch eine Zukunft hinterlassen.“ Seine Kinder hatte der Präsident schon einmal bemüht – in seiner Prager Rede, in der er von einer atomwaffenfreien Welt träumte. Nicht heute oder morgen, aber hoffentlich irgendwann. Die Energiewende, so scheint es, ist nun sein zweites Jahrhundert-Projekt.