Straßburg. .
Der Anteil von Fett, Salz oder Zucker in Tiefkühlpizza, Müsli oder Cornflakes wird auch künftig nicht durch rote, gelbe oder grüne Symbole signalisiert. Das Europaparlament erteilte der von Verbraucherschützern, Ärzteverbänden und Krankenkassen geforderten Ampel-Kennzeichnung eine klare Absage. Auch die Mitgliedsstaaten sollen nicht die Möglichkeit erhalten, eigene Ampel-Lösungen vorzuschlagen.
Die Berichterstatterin Renate Sommer (CDU) begrüßte das Nein zur Ampel-Kennzeichnung nachdrücklich. Lebensmittel könnten nicht einfach in „gute oder schlechte“ eingeteilt werden, dies sei wissenschaftlich nicht fundiert. Zudem würde die Farbkennzeichnung dazu führen, dass etwa Zucker durch Süssstoff oder Salz durch Geschmacksverstärker ersetzt würden, sagte sie. Eigene Ampel-Lösungen der Mitgliedsstaaten wären nicht Binnenmarkt-konform.
Die Hersteller sollen stattdessen künftig verpflichtet werden, auf den Vorderseiten der Verpackungen Angaben zum Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Salz und Zucker zu machen. Außerdem muss der Brennwert der Lebensmittel in Kalorien pro 100 Gramm angegeben werden. Der Verbraucher soll zudem erfahren, welchen Anteil an der so genannten empfohlenen Tagesmenge, etwa an Fett oder Kohlehydraten, er zu sich nimmt.
Das Brot vom Bäcker ist nicht betroffen
Die Neuregelung soll vor allem für vorverpackte Fertigprodukte gelten. Handwerklich hergestellte Erzeugnisse seien nicht betroffen, sagte Sommer. „Für das Brot vom Bäcker und das Fleisch vom Metzger an der Ecke werden die Vorschriften nicht gelten.“
Enttäuscht äußerten sich Vertreter der Linken und Grünen. Damit verzichte die EU auf ein „einfaches und übersichtliches Label“, sagte die deutsche Grüne Rebecca Harms. Die niederländische Linkspolitikerin Kartika Liotard sprach von einem Sieg der europäischen Nahrungsmittel-Lobby. Auch mit der Forderung nach verpflichtenden Angaben über den Brennwert von alkoholischen Getränken konnten sich Grüne und Linke nicht durchsetzen. Dagegen hatten sich vor allem die großen Weinproduzenten unter den EU-Staaten zur Wehr gesetzt.
Industrie befürchtet abschreckende Wirkung der Ampel
Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte das Votum. Die Farb-Kennzeichnung mit Rot, Gelb oder Grün für hohen, mittleren und niedrigen Gehalt an möglicherweise gesundheitsschädlichen Substanzen sei die wirksamste Lösung, Verbraucher zu informieren. In der EU seien 60 Prozent der Erwachsenen und jedes vierte Kind zu dick oder gar fettleibig. Dies koste die Gesundheitssysteme in der EU jährlich an die 150 Millionen Euro.
Die Lebensmittelindustrie in der EU, allen voran multinationale Großkonzerne wie Nestlé, war gegen die geplante Ampel-Kennzeichnung Sturm gelaufen. Die Industrie befürchtete, dass Verbraucher durch rote oder gelbe Signale abgeschreckt werden könnten.
Keine Entscheidung vor 2011
Die Hersteller sollen künftig aber verpflichtet werden, auf so genannte Nano-Teilchen in Fertiglebensmitteln hinzuweisen. Sie müssen auch angeben, ob in einem Produkt ein Imitat wie künstlicher Käse enthalten ist oder ob es sich um zusammengeklebtes Fleisch oder Schinken handelt. Wenn Lebensmittel Glutamat enthalten, muss auf der Verpackung stehen, dass diese Substanz appetitanregend wirkt.
Bis diese Verpflichtungen greifen, wird allerdings noch viel Zeit vergehen: Die Vorlage geht nun an den Ministerrat, der in der Frage gespalten ist. Mit einer gemeinsamen Position der EU-Staaten sei nicht vor Februar 2011 zu rechnen, sagte Sommer. Erst dann kann im Parlament die abschließende Lesung beginnen. Die EU-Volksvertretung hat in der Frage ein Mitentscheidungsrecht. Parlament und Rat müssen sich somit auf einen Kompromiss einigen. (afp)