Brüssel. .

Die nationalistische Neu-Flämische Allianz hat die Parlamentswahl in Belgien gewonnen. Nach Auszählung der Stimmen am Sonntagabend sind die Separatisten mit 28,3 Prozent stärkste Kraft. Sie fordern ein unabhängiges Flandern.

Die nationalistische Neu-Flämische Allianz (NVA) ist aus der vorgezogenen Parlamentswahl in Belgien als stärkste Kraft hervorgegangen. Nach Auszählung fast aller Stimmen lag die NVA, die ein unabhängiges Flandern fordert, in der Region am Sonntagabend mit 28,3 Prozent in Führung. In Flandern leben 60 Prozent der Belgier, der Sieg einer die Unabhängigkeit der Region fordernden Partei ist eine Premiere bei landesweiten Wahlen.

Den Ergebnissen zufolge dürften 27 bis 28 Mandate im Parlament in Brüssel an die NVA gehen, die damit stärkste Kraft wurde. Die Christdemokraten (CDV) des amtierenden Regierungschefs Yves Leterme errangen nach Auszählung von 96,5 Prozent der Stimmen nur noch 17,5 Prozent der flämischen Stimmen. Die Sozialisten kamen demnach auf 15 Prozent, gefolgt von den Liberalen (Open VLD) mit 14 Prozent. Die rechtsextreme Vlaams Belang erreichte 12,7 Prozent.

In der Wallonie und in Brüssel liegen die Sozialisten vorne

Bei den französischsprachigen Belgiern in der Wallonie und in Brüssel lagen den Ergebnissen vom späten Sonntagabend zufolge die Sozialisten (PS) mit 36,5 Prozent vorn. Die PS will wie die meisten Frankophonen eine Spaltung des Landes verhindern. Hinter ihr lagen die Liberalen (MR) mit 24,8 Prozent und die Zentristen (CDH) mit 14,8 Prozent.

NVA-Chef Bart De Wever sprach im flämischen Fernsehen von außergewöhnlichen Ergebnissen. „Wir werden unsere Verantwortung übernehmen“, sagte der populäre Politiker. „Niemand hat ein Interesse daran, das Land zu blockieren.“ Der scheidende Finanzminister und Vize-Ministerpräsident Didier Reynders (MR) sprach dagegen von einer „problematischen“ Situation für das Land.

Die Autonomieforderungen der NVA hatten den Wahlkampf beherrscht. Die Partei plädierte im Wahlkampf für einen „flämischen Nationalismus in moderner und menschenfreundlicher Form“. Sie strebt eine stärkere Autonomie und auf lange Sicht „eine flämische Republik, als Mitgliedstaat eines konföderalen und demokratischen Europas“ an.

Flandern stellt insgesamt 60 Prozent der 10,5 Millionen Belgier und steht wirtschaftlich besser da als die Wallonie und Brüssel. Die Hauptstadt ist formell zweisprachig, de facto aber überwiegend frankophon. Den Flamen stehen 88 der 150 Sitze in der Abgeordnetenkammer zu.

Langwierige Regierungsverhandlungen stehen bevor

Dem tief gespaltenen Land stehen nun langwierige Regierungsverhandlungen bevor. Der führende PS-Politiker Paul Magnette sagte dem Rundfunksender RTBF, möglicherweise müsse mit der NVA regiert werden. Vor der Wahl hatten auch andere frankophone Parteien Koalitionsgespräche mit der NVA nicht ausgeschlossen. Die Regierung muss aus Frankophen und Flamen bestehen. De Wever hatte den Frankophonen indirekt das Amt des Regierungschefs angeboten, wenn sie ihm in der Autonomiefrage entgegenkommen. Auf den Posten hat nun PS-Chef Elio Di Rupo Aussichten.

Rund 7,7 Millionen Bürger waren zur Stimmabgabe verpflichtet. Die vorgezogenen Wahlen wurden nötig, nachdem Letermes Regierung Ende April am Streit der Sprachgruppen zerbrochen war. Am 1. Juli übernimmt das Land für sechs Monate den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft. (afp)