Sigmar Gabriel ist ein Hans im Glück. Niemand will von ihm wissen, ob die Neuvermessung der SPD abgeschlossen ist, was aus der Rente mit 67 wird, ob die Partei sich wieder auf eine Große Koalition einlassen würde. Keiner behelligt den Mann mit den Widersprüchen der SPD. Es gibt gerade Wichtigeres in Deutschland: Das Siechtum der schwarz-gelben Koalition. Sie ist ihrem Ende näher als einem Neuanfang. Ein gespenstischer Befund für eine Regierung im ersten Jahr. Eigentlich müsste man darob ausgelacht werden.

Bloß: Es lacht keiner. Denn alle können verfolgen, dass Angela Merkel den Autoritätsverfall und Vertrauensverlust nicht stoppen kann. Nach Griechenland und nach dem Euro wird jetzt quasi auf das Ende ihrer Kanzlerschaft spekuliert. Und auch wenn die Bundespräsidentenwahl am 30. Juni glatt über die Bühne gehen sollte, hätte die Kanzlerin bloß ein paar Monate Zeit gewonnen. Im Herbst muss das Sparpaket verabschiedet werden, dann brechen die Widersprüche auf. Zudem muss Merkel die CDU-Führung neu ordnen; was, nüchtern betrachtet, die viel bessere Gelegenheit ist, die Chefin mal richtig abzustrafen.

Es gibt das Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Und gerade deswegen muss die Stimmung in der Koalition, müssen die Klagen über ein „bürgerliches Gewirr“ (Koch) die Kanzlerin alarmieren.

Fakt ist, dass jede Sachfrage taktisch ausgereizt wird, ob es um so unterschiedliche Themen wie Opel, um die Wehrpflicht, den Atomausstieg oder um die Gesundheitsreform geht. Fakt ist auch, dass sich in der Politik eine unversöhnliche Haltung breit macht, bei den Akteuren eine Alles-oder-nicht-mit-mir-Mentalität. Bei der kleinsten Differenz steht ein Rücktritt im Raum. Offensichtlich ist auch, dass der Kanzlerpartei ein strategisches Zentrum fehlt. Merkel muss jeden Brandherd selbst löschen. Sie ist ziemlich allein und daran nicht schuldlos.

Es ist leicht zu erklären, wie es so weit kam. Es hat mit den Koalitionsverhandlungen und Merkels Unfähigkeit zu tun, eine partnerschaftliche Atmosphäre zu schaffen. Man redete von der Regierung Kohl/Genscher oder Schröder/Fischer, aber nicht von Merkel/Westerwelle. Schwerer ist die Frage zu beantworten, wie Merkel aus der Krise wieder rauskommen soll. Als ihm der Rückhalt fehlte, stellte Schröder 2005 die Vertrauensfrage. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Fast wäre es gut gegangen. Er wollte in die Offensive kommen. Er hat es wenigstens versucht.