Brüssel. .
Wie weit darf die Regierung gehen, welche CD darf sie kaufen, wo ist die Grenze für Steuerfahnder: Ganz Deutschland streitet derzeit hitzig über den richtigen Umgang mit den großen Steuerbetrügern. Dabei blüht die Schwarzarbeit.
Der Fall Zumwinkel hat die Massen elektrisiert, und ihm sollen weitere prominente Fälle folgen. Die vielen kleinen Steuerbetrüger werfen hingegen selten eine Schlagzeile ab – obwohl immer mehr „Kleingeld“ am Fiskus vorbeigeschleust wird.
Experten rechnen im laufenden Jahr mit einer erneuten Ausweitung der Schwarzarbeit. Nach der Prognose der Universität Linz und des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen wird die Schattenwirtschaft in diesem Jahr in Deutschland um zwei Prozent wachsen. Die Fachleute rechnen mit einem Volumen von fast 360 Milliarden Euro, das entspricht knapp 15 Prozent der offiziellen Wirtschaftsleistung.
Am Fiskus vorbei
In anderen Worten: Jeder siebte Euro hierzulande fließt am Fiskus vorbei. Die Autoren der Studie machen für den erwarteten Anstieg der Schwarzarbeit die wachsende Arbeitslosigkeit und die hohe Zahl an Kurzarbeitern verantwortlich.
Viele Bundesbürger hätten schlichtweg mehr Zeit, am Fiskus vorbei ein paar Euro zu verdienen, erläutert der Tübinger Volkswirt Bernhard Boockmann. Demgegenüber weist Markus Promberger vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) darauf hin, dass das Gros der Schwarzarbeit nicht von Arbeitslosen geleistet wird, sondern von Handwerkern und Dienstleistern, die voll beschäftigt sind. Etwa vom Kfz-Mechaniker, der nach Dienstschluss noch das Auto seines Nachbarn repariert oder vom Gastwirt, der dem Finanzamt verschweigt, dass er am Abend noch zwei zusätzliche Flaschen Rum ausgeschenkt hat. Schließlich brauche es zur Schwarzarbeit bestimmte Voraussetzungen, über die Arbeitslose nicht verfügten – Kenntnisse, Gelegenheiten, Netzwerke, so der Experte des IAB, das der Bundesagentur für Arbeit angegliedert ist.
Über dem Durchschnitt
Die Verfasser der aktuellen Studie kommen zu dem Ergebnis, dass die Regierung die Schattenwirtschaft mit ihren Entscheidungen auf der einen Seite eindämme, auf der anderen Seite aber sogar provoziere. Zwar sorge sie nämlich mit niedrigeren Krankenkassensätzen für Anreize, Tätigkeiten beim Finanzamt ordnungsgemäß anzugeben. Jedoch erhöhten die beschlossenen Mindestlöhne für Lackierer, Wäscherei-Beschäftigte und Müllfahrer die Neigung zur Schwarzarbeit – eine Annahme, die allerdings unter Experten umstritten ist.
In Deutschland ist Schattenwirtschaft nach Berechnungen des Tübinger Instituts verbreiteter als in Österreich, der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und anderen Nachbarstaaten – sogar als im Durchschnitt ausgewählter Industriestaaten. Gleichzeitig sei die Schwarzarbeit in vielen südlichen Ländern Europas wesentlich stärker ausgeprägt, behauptet die Tübinger Studie.