Berlin. Der Deutsche Städtetag hat eindringlich auf die desolate Finanzlage der Kommunen hingewiesen. Infolge gesunkener Einnahmen und gestiegener Ausgaben droht den Gemeinden in diesem Jahr ein zweistelliges Milliarden-Defizit. Die Hilferufe an Bund und Länder werden immer lauter.

Der Deutsche Städtetag legte am Dienstag in Berlin seine Finanzprognose vor, wonach den Gemeinden in diesem Jahr ein Rekorddefizit in zweistelliger Milliardenhöhe droht. Während die Steuereinnahmen einbrechen, steigen die Sozialausgaben ins Unermessliche. Hauptgeschäftsführer Stephan Articus warnte, die Städte «drohen sich kaputt zu sparen».

Der Verband sieht die Ursachen zum einen in den Folgen der Finanzkrise, zum anderen in den immer neuen Aufgaben, die Bund und Länder den Gemeinden aufbürden. Städtetagspräsidentin Petra Roth sagte: «Ein Teil der Städte steht vor dem Kollaps und droht handlungsunfähig zu werden.»

Roth bat die Bundesregierung um Entlastung. Weitere Mindereinnahmen infolge geplanter Steuersenkungen seien nicht zu verkraften. Schon das seit 1. Januar in Kraft befindliche Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit Entlastungen für Familien, Erben und Hoteliers koste die Gemeinden 1,6 Milliarden Euro, die sie nicht schultern könnten. Sie wies darauf hin, dass die Städte auch in der Finanzkrise Dienstleistungen in guter Qualität bieten wollten, etwa in den Schulen, bei der Kinderbetreuung und im öffentlichen Nahverkehr.

Konsolidierungsmöglichkeiten erschöpft

Articus warnte, dass die Konsolidierungsmöglichkeiten der Städte längst erschöpft seien. Ihnen bleibe nichts anderes übrig, als am Personal zu sparen und Investitionen etwa in Modernisierungsprojekte zurückzufahren. Gleichzeitig wachse das Tempo, in dem die Sozialausgaben steigen.

Im Einzelnen rechnen die Städte damit, dass sie in diesem Jahr ein Rekorddefizit von 12 Milliarden Euro einfahren. Das wäre fast die Hälfte mehr als das Defizit von 8,4 Milliarden Euro in der bisher schwersten kommunalen Finanzkrise im Jahr 2003. Auch in den Jahren 2011 bis 2013 erwarten sie zweistellige Milliardendefizite.

Starke Ausfälle bei der Gewerbesteuer

Die kurzfristigen Kassenkredite der Kommunen betragen den Angaben zufolge inzwischen 33,8 Milliarden Euro. Sie seien damit allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 um mehr als vier Milliarden Euro gestiegen. Notleidende Städte brauchten diese Kredite regelmäßig, weil sie mehr Aufgaben erfüllen müssten als die Einnahmen hergeben.

Der Städtetag verwies auch darauf, dass die Kommunen den stärksten Einbruch ihrer Steuereinnahmen um gut zehn Prozent hinnehmen mussten. Das Minus in den Kassen habe 7,1 Milliarden Euro betragen. Besonders stark seien dabei mit 17,4 Prozent die Gewerbesteuereinnahmen eingestürzt. Viele Städte hätten dramatische Verluste von mehr als 40 Prozent erlitten.

Die Sozialausgaben der Kommunen stiegen 2009 den Angaben zufolge erstmals auf rund 40 Milliarden Euro - beinahe doppelt so viel wie kurz nach der Wiedervereinigung. 2010 wird ein weiterer Anstieg um fast zwei Milliarden Euro erwartet.

Missverhältnis zwischen Aufgaben und Ausgaben

Roth kündigte Gespräche der kommunalen Spitzenverbände mit dem Bundesinnenminister über «die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen» an. Die von der Bundesregierung geplante Kommission zur Zukunft der Gemeindefinanzen müsse sich besonders um die Korrektur des Missverhältnisses zwischen kommunalen Aufgaben und Ausgaben kümmern, forderte die Städtetagspräsidentin.

«Bund und Länder verschätzen sich immer zu ihren Gunsten und zu unseren Lasten», kritisierte Articus die Aufgabenteilung. Deshalb müssten die Kommunen künftig an der Kostenfolgeabschätzung bei neuen Gesetzen beteiligt werden. Als Beispiel nannte er den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Keiner habe eine Antwort darauf, wie die Erfüllung einer 35-prozentigen Quote zu finanzieren sei. Der wahre Betreuungsbedarf in großen Städten liege indes schon bei 50 Prozent, warnte Roth.

Die Städtetagspräsidentin forderte auch: «Entlastung brauchen die Städte besonders bei den erdrückend hohen Sozialausgaben, die Bund und Länder zu Lasten der Kommunen immer mehr ausgeweitet haben.» So dürfe die Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose auf keinen Fall gesenkt werden, so wie es der Bundestag beschlossen hatte. Der Ausgabenanstieg bei den Unterkunftskosten im Jahre 2010 bezifferte Roth mit einer Milliarde Euro. (apn)