Washington. .
Groß angekündigt und jetzt abgeblasen: New York wird nicht zum Schauplatz des Jahrhundert-Prozesses gegen die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001. Die Widerstände waren zu groß.
„Willkommen in New York. Ab mit euch in die Hölle!“ – Der Wunsch der „Post“, der konservativen Rivalin der liberalen „New York Times` wird nicht in Erfüllung gehen. Präsident Barack Obama beugte sich jetzt den zunehmend massiven Protesten und Einwänden. „Die Sache ist tot“, so das Justizministerium.
Für Obama bedeutet der Rückzieher neben dem Gesichtsverlust einen weiteren Rückschlag im Bemühen, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Dort, in dem US-Militärlager auf Kuba, sitzen seit Jahren jene fünf Verdächtigen, die sich nach den Vorstellungen Obamas vor einem New Yorker Bezirksgericht unweit des „Ground Zero“ verantworten sollten, wo einst die Zwillingstürme des World Trade Center standen. Mit der Entscheidung, die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge, darunter das angebliche „Gehirn“ der Operation, Khalid Scheich Mohammed, vor ein Zivilgericht zu stellen und ihnen alle Rechte einzuräumen, hatte Obama ein Zeichen für den Rechtsstaat setzen wollen.
Umstritten war die Entscheidung von Anfang an. „Bringt sie her und dann: Hängt sie auf, setzt sie auf den Stuhl und killt sie“, meinte der frühere New Yorker Feuerwehrmann Philippe Rousseau. Mit seiner extremen Meinung stand er nicht allein in dieser Stadt, die den Anschlag als Trauma erlebte. „Ich sehe nicht, wer als Geschworener diesem Prozess unvoreingenommen beiwohnen kann“, glaubt die New Yorkerin Georginna Neller. Auch Angehörige der Opfer liefen Sturm gegen die Entscheidung, den mutmaßlichen Hintermännern eine Bühne zu bieten.
Selbst New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, der Obamas Entscheidung anfangs noch unterstützt hatte, bekam kalte Füße, vor allem angesichts der finanziellen Lasten, die mit dem jahrelangen Prozess einhergehen. Allein die Sicherheitsmaßnahmen werden auf 200 Millionen Dollar jährlich geschätzt. Manhattans brodelndes Leben würde an den Prozesstagen paralysiert, so Wirtschaftsverbände. „Es wäre gut, wenn wir darauf verzichten würden“, meinte Bloomberg.
Auch in Washington ist der Druck auf Obama gewachsen, die Entscheidung zu revidieren. Die Vorsitzende des Senats-Geheimdienstausschusses, Obamas Parteifreundin Dianne Feinstein, warb für eine Verlegung unter Hinweis auf das hohe Terror-Risiko.
Nach Ansicht der oppositionellen Republikaner gehören die Drahtzieher vor ein Militärgericht in Guantanamo. Ein Verfahren vor einem Zivilgericht biete den Terroristen „eine Plattform, um sich ihrer Taten zu rühmen und Anhänger zu werben“. Wo der Prozess nun gemacht werden kann, ist wieder völlig offen.