Washington. .
Groß angekündigt und jetzt abgeblasen - New York wird nicht zum Schauplatz des Jahrhundert-Prozesses gegen die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001. Die Widerstände in Manhattan, aber auch in Washington waren zu groß.
„Willkommen in New York. Ab mit euch in die Hölle!“. Der Wunsch der „Post“, der kleinen, konservativen Rivalin der großen liberalen „New York Times“, wird nicht in Erfüllung gehen. Der Sensationsprozess gegen die mutmaßlichen Hintermänner der Anschläge von Nine-Eleven, wie die September-Attentate in den USA prägnant genannt werden, wird nun doch nicht am Ort des Geschehens stattfinden. Präsident Barack Obama beugte sich jetzt den zunehmend massiven Protesten und Einwänden. „Die Sache ist tot“, hieß es im US-Justizministerium knapp.
Für Obama bedeutet der Rückzieher neben dem Gesichtsverlust einen weiteren Rückschlag in seinem Bemühen, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Dort, in dem US-Militärlager auf Kuba, sitzen seit Jahren jene fünf Verdächtigen, die sich nach den Vorstellungen Obamas und seines Justizministers Eric Holder vor einem New Yorker Bezirksgericht unweit des „Ground Zero“ verantworten sollten, wo einst die Zwillingstürme des World Trade Center standen.
Zeichen für den Rechtsstaat
Mit der Entscheidung, die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge, darunter das angebliche „Gehirn“ der Operation, Khalid Scheich Mohammed, vor ein Zivilgericht zu stellen und ihnen alle Rechte einzuräumen, die die Strafprozessordnung vorsieht, hatte Obama im letzten November ein Zeichen für den Rechtsstaat setzen wollen. Umstritten war die Entscheidung in New York, aber längst nicht nur dort, von der ersten Minute an. „Bringt sie her - und dann: Hängt sie auf, setzt sie auf den Stuhl und killt sie“, meinte der frühere New Yorker Feuerwehrmann Philippe Rousseau.
Mit seiner extremen Meinung stand er nicht allein in dieser Stadt, die den Anschlag vom 11. November als Trauma erlebte. „Das brach uns damals das Herz. Ich sehe nicht, wer als Geschworener diesem Prozess unvoreingenommen beiwohnen kann“, gab Georginna Neller am „Ground Zero“ zu bedenken. „Am besten, man würde sie gleich hier aufhängen“, meinte sie im letzten November mit grimmigen Lächeln.
Angehörige der Opfer protestieren
Auch Familienangehörige der Opfer waren Sturm gegen die Entscheidung gelaufen, den mutmaßlichen Hintermännern eine Bühne zu bieten. Seither hat die Debatte noch an Fahrt aufgenommen. Und seit dem missglückten Anschlag von Detroit um Weihnachten waren die kritischen Stimmen noch lauter geworden.
Selbst New Yorks parteiunabhängiger Bürgermeister Michael Bloomberg, der Obamas Entscheidung anfangs noch unterstützt hatte, bekam inzwischen kalte Füße, vor allem angesichts der finanziellen Lasten, die mit dem jahrelangen Prozess einhergehen. Allein die Sicherheitsmaßnahmen im Süden Manhattans werden auf weit über 200 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt. Manhattans brodelndes Leben würde an den Prozesstagen in weitem Umkreis paralysiert, beklagten Wirtschaftsverbände. „Es wäre gut, wenn wir darauf verzichten würden“, meinte Bloomberg.
Auch in Washington war in den letzten Tagen der Druck auf Obama gewachsen, die Entscheidung zu revidieren. Die Vorsitzende des Senats-Geheimdienstausschusses, Obamas Parteifreundin Dianne Feinstein, warb für eine Verlegung unter Hinweis auf das hohe Terror-Risiko. New York sei nicht erst seit dem 11. November ein Terror-Ziel. Ein Verfahren gegen hochrangige El-Kaida-Terroristen „würde die Bedrohung noch erhöhen“, meinte Feinstein.
Prozess hinter verschlossenen Türen
Die oppositionellen Republikaner, aber auch eine ganze Reihe von Obamas Demokraten, hatten der ganzen Idee von vornherein nichts abgewinnen können. Ihrer Ansicht nach gehören die Drahtzieher vor ein Militärgericht in Guantanamo. Ein Verfahren vor einem Zivilgericht biete den Terroristen „eine Plattform, um sich ihrer Taten zu rühmen und Anhänger zu werben für neue Anschläge“, schrieben sechs Senatoren, darunter Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain, aber auch der Demokrat Jim Webb, an Justizminister Holder. „Mit unserem Steuergeld sollten Waffen für den Anti-Terrorkampf gekauft und nicht Anwälte für die Verteidigung von Terroristen bezahlt werden“, meinte der frisch gebackene Senator Scott Brown, der vor ein paar Tagen die Demokraten-Hochburg Massachusetts geschleift hatte.
Wo Scheich Mohammed und seinen Gesinnungsgenossen anstelle New Yorks der Prozess gemacht werden kann, ist jetzt wieder völlig offen. Am Ende könnte die Entscheidung wieder auf Guantanamo hinauslaufen.