Berlin. .

Es fällt ihm schwer. „Ich habe über Monate über diese Frage nachgedacht“, erzählt Oskar Lafontaine. Nun ist sie entschieden. Er zieht sich aus der Bundespolitik zurück. Er ist 66 Jahre alt und nicht mehr so stressresistent wie einst. Zuletzt musste er sich – Diagnose: Krebs – einer Operation an der Prostata unterziehen. Genug Gründe, um auf seine Ärzte und auf seine Frau zu hören, um kürzer zu treten und um seine Karriere im Saarland auslaufen zu lassen. Im Landtag bleibt er.

Für die Linke ist es eine Zäsur, für die SPD – seine Ex-Partei – nicht weniger. Linke und SPD hätten die Möglichkeit, „ihr Verhältnis zu klären“, meint Claudia Roth, die Grünen-Chefin. Abermals regt der Mann die politische Fantasie an.

Gysi untröstlich

SPD-Chef Sigmar Gabriel wird die Konkurrenz nun erst recht hart angehen. Andere wie die NRW-Spitzenfrau Hannelore Kraft halten betont die „Tür offen“ für die Rückkehr von früheren Sozialdemokraten.

Eine Gruppe von Abgeordneten machte gestern publik, man wolle ein Bündnis von SPD, Grünen und Linken ausloten. Das war lange geplant. Es sei ein Zufall, dass Lafontaine fast zeitgleich seinen Rückzug bekannt gab. „Manchmal kommt es halt so“, erzählt einer der Initiatoren, Frank Schwabe aus Castrop-Rauxel, dieser Zeitung.

Obwohl der Mann erst Ende Mai als Chef der Linkspartei aufhört und sich vorher noch voll in den nordrhein-westfälischen Wahlkampf reinhängen will, reden alle schon über die Zeit nach Lafontaine. Und die Pressekonferenz mit ihm und Fraktionschef Gregor Gysi wurde zur Abschiedsvorstellung.

Lafontaine wirkt geknickt und Gysi schier untröstlich. „Es tut ausgesprochen weh.“ Was hat Gysi nicht alles getan, um ihm den Abschied auszureden? Hat ihm Parteimanager Dietmar Bartsch, mit dem der Freund über Kreuz war, aus dem Weg geräumt. Ist nach Saarbrücken geflogen, um stundenlang im Restaurant „Roma“ auf Oskar einzureden. Es half nichts.

Nicht der Linken-Vorstand musste Lafontaine trösten, sondern umgekehrt. „Niemand ist unersetzlich, ruft er aus. Man müsse Personen eine Chance geben, „dann werden sie die Resonanz finden.“ Wichtiger seien die Inhalte. Die Linke müsse ihren „Markenkern“ verteidigen und ihre „Haltelinien“ einhalten, in der Sozialpolitik, in der Frage Afghanistan-Krieg.

Vor allem will sich Lafontaine in den NRW-Wahlkampf stürzen. Es ist seine letzte Mission und der fehlende Baustein, um die Linke als gesamtdeutsche Partei im Westen zu etablieren. „NRW ist ein relativ schwieriges Land“, gibt Gysi zu bedenken. „Da ist viel Potenzial drin“, erwidert Lafontaine. Die Aufgabe reizt ihn. Er argumentierte gar nicht erst mit der Schlagkraft der Landespartei, sondern mit Angela Merkel. Lafontaine geht davon aus, dass Schwarz-Gelb Sozialkürzungen vorbereitet und die NRW-Linke in der Folge die Adresse für Protestwähler ist.

Beim Stichwort NRW redet er sich gleich in Rage, weil Gabriel die Linke für regierungsunfähig hält. Eine „törichte Bemerkung“, grantelte Lafontaine. Es sei gut, dass Gabriel gleich von der NRW-SPD korrigiert worden sei.

Tatsächlich ist viel in Bewegung, nicht nur in NRW. Eine Gruppe junger Abgeordneter von SPD und Grünen hat nie den Kontakt zur Linkspartei abreißen lassen. Dazu zählen Parlamentarier wie Jan Korte und Stefan Liebich (Linke) oder wie Nicole Maisch von den Grünen sowie aus der NRW-SPD Frank Schwabe und der Dortmunder Marco Bülow.

Jahrelang trafen sich Sozialdemokraten und Grüne separat mit Linken. Man blieb im Gespräch, hockte in Berliner Kneipen zusammen. „Wir sind über die Phase des Kennenlernens hinaus“, sagt Frank Schwabe. Jetzt wollen sie zu Dritt offensiv, öffentlich und strukturiert ausloten, was geht: Sie wollen Gemeinsamkeiten klarmachen, „aber Differenzen nicht unter den Tisch kehren“.

Es ist die Generation nach Lafontaine.