Berlin. .

Auch wenn die Regierung die Bedeutung des heutigen Energiegipfels herunterspielt: Beim Zusammentreffen zwischen Kanzleramt und den Top-Managern großer Energiekonzerne wird es vor allem um den Ausstieg aus dem Atomausstieg gehen. Wir beantworten dazu die wichtigsten Fragen.

Worum geht es beim Energiegipfel?


Bei der Zusammenkunft im Kanzleramt handelt es sich um ein jährliches Routinetreffen mit den Vertretern von RWE, Eon, EnBW und Vattenfall.

Dieses Mal ist es vor dem Hintergrund brisant, dass die Energiekonzerne so rasch als möglich wissen wollen, wie sich Schwarz-Gelb die Verlängerung der Laufzeiten bei den Atomkraftwerken nun vorstellt. Dabei spielen auch die Sicherheitsanforderungen für den weiteren Betrieb der Kraftwerke eine Rolle.

Warum haben es die Energieriesen so eilig?


Mit dem Atomausstieg unter Rot-Grün hat jedes Kernkraftwerk eine Reststrommenge erhalten, die es produzieren darf. Danach erlischt die Betriebserlaubnis. Die Meiler Biblis A und Neckarwestheim 1 haben nur noch geringe Reststrommengen.

Müssen die alten Reaktoren zwangsläufig vom Netz, wenn der Bund erst im Oktober sein Energiekonzept vorlegt und dann die Laufzeitenfrage klärt?


Nein. Die Energieriesen können die Stromproduktion der betroffenen Reaktoren drosseln und damit deren Restlaufzeit etwas hinauszögern. Hier gibt es freilich Grenzen. Alternativ könnten die Betreiber Reststrommengen von ihren neuen Kraftwerken auf die alten übertragen. Dazu müsste aber Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) seine Erlaubnis geben. Dass er diese vor der NRW-Wahl gibt, ist höchst unwahrscheinlich.

Wie steht Schwarz-Gelb zur Laufzeitverlängerung?


Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Röttgen wollen bei der Laufzeitenfrage das nationale Energiekonzept im Herbst abwarten. Röttgen denkt aber an eine Verlängerung von je vier bis acht Jahren. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hingegen will „so schnell als möglich“ Klarheit und schließt auch eine größere Ausweitung der Laufzeiten nicht aus. Dafür sollen die Energiekonzerne „mindestens 50 Prozent“ ihrer zusätzlichen Gewinne an den Staat abgeben. Dies hat RWE-Chef Jürgen Großmann auch bereits öffentlich angeboten.

Wie viel Geld springt für den Bund heraus?


Zwei Dinge sind ausschlaggebend: Wie lange laufen die Meiler, und welchen Prozentsatz vom Gewinn müssen die Energieriesen abgeben? Beides ist noch unklar. Es existieren aber einige Modellrechnungen, unter aus der Feder des Ökoinstituts. 2008 gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die Energiekonzerne zwischen 2011 und 2020 jährlich zwischen drei und vier Milliarden Euro mehr einnehmen könnten. In einer Studie für Greenpeace vom Oktober 2009 prognostizierte das Institut in einer Modellberechnung, dass den Energiekonzernen bis 2035 gut 51 Milliarden Euro an Mehreinnahmen wirken, wenn die Atomkraftwerke acht Jahre länger laufen als vorgesehen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen.

Die LBBW wiederum schätzt, dass eine Verlängerung um zehn Jahre etwa 20 Milliarden Euro wert wäre. Gemäß der Brüderle-Forderung bekäme der Bund in letzterem Fall dann mindestens zehn Milliarden Euro. Noch ist offen, in welcher Form. Der Bund denkt hier an eine Stiftung, einen Fonds oder eine Sondersteuer.

Was hat der Verbraucher davon, wenn die Meiler länger laufen?


Er spart Geld. Dies besagt eine Pro-Atomkraft-Studie, die der Bundesverband der Deutschen Industrie pünktlich zum Atomgipfel veröffentlicht hat. Demnach könnten die Verbraucher bis 2030 bei der Stromrechnung 60 Milliarden Euro sparen, wenn die Reaktoren 60 Jahre länger liefen als heute geplant. Die komplette Volkswirtschaft würde bis 2030 um rund 256 Milliarden Euro entlastet. Aus Sicht der Grünen-Umweltexpertin Bärbel Höhn ist die BDI-Erhebung eine „Gefälligkeitsstudie für die Atomlobby“. Teure Sicherheitsnachrüstungen und die Milliardenkosten für das marode Atomlager Asse II würden hier einfach ausgeblendet.

Eine ganz andere Rechnung macht das Ökoinstitut auf. Es ist in einer weiteren Studie zu dem Schluss gekommen, dass längere Laufzeiten für Atommeiler die Stromkosten eben nicht senken.

Welche Sicherheitsanforderungen müssen die Betreiber erfüllen, wenn die Reaktoren länger laufen?


Im Koalitionsvertrag steht, dass längere Laufzeiten an die „Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards“ geknüpft werden. In Deutschland gibt es aber zwei Regelwerke: ein mehr als 30 Jahre alten Kriterienkatalog und seit Sommer 2009 neue Sicherheitsrichtlinien. Der Haken: Ex-Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die neuen Regeln nicht als verbindlich erklärt. Sie werden in einer 15-monatigen Probephase auf freiwilliger Basis verwendet. Welches Regelwerk am Ende zählt, ist vor allem für die alten Kraftwerke bedeutend. Nach den neuen Regeln droht den alten Meilern teils erheblicher und teurer Modernisierungsbedarf.