Brüssel. .
Die Bühne bebt. Wenn Günther Oettinger am heutigen Donnerstag vor dem Europäischen Parlament sein mündliches EU-Examen bestehen muss, sind die Gemüter erhitzter als in der ersten Wochenhälfte. Seit Montag hatte sich bei den Anhörungen der künftigen EU-Kommissare gepflegte Langeweile ausgearbeitet, nur versetzt mit einer Portion Missvergnügen über die endlosen Formelaussagen der meisten Prüflinge. Seit Mittwoch herrscht Aufregung. Und die Frage steht im Raum: Wie schlecht darf eigentlich jemand sein, der Mitglied der Brüsseler EU-Exekutive werden will?
Auch der Litauer Algirdas Semeta (Steuern), der Finne Olli Rehn (Finanzen) und die Außenministerin Catherine Ashton hatten bei ihren Befragungen enttäuscht. Aber nicht wie Rumiana Jeleva. Die Bulgarin, für die sich Kommissionschef Jose Manuel Barroso das neue Ressort Internationale Zusammenarbeit, Humanitäre- und Krisen-Hilfe ausgedacht hat, war mit ihrem Auftritt eine Schadensklasse für sich. Hypernervös konnte die 40-Jährige weder zu ihren finanziellen Verhältnissen noch zu ihrem Portfolio sinnvoll Auskunft geben.
„Ich habe nichts zu verbergen!“, versicherte Jeleva mal auf Englisch, mal auf Bulgarisch. Zu sagen hatte sie aber auch nichts. Vor allem nicht zur Frage, was genau aus ihrer Firma Global Consult geworden sei und ob ihre offiziellen Angaben dazu nicht lückenhaft waren. Die bulgarischen Behörden könnten alles bestätigen, erklärte Jeleva. Das beruhigte nicht wirklich, genauso wenig wie ihre fahrigen Ausführungen zum „proaktiven Krisenschutz“.
„Opfer einer Hexenjagd“
Die Abgeordneten verständigten sich, von Barroso eine Bonitätsauskunft zu verlangen. Solange man es nur mit unbewiesenen Vorwürfen zu tun habe, wollte auch die christdemokratische EVP-Fraktion im EU-Parlament zur bedrängten Parteifreundin halten, die Opfer „einer Hexenjagd“ zu werden drohe. Inoffiziell hieß es jedoch in der Fraktion, der Rückzug der Bulgarin sei nur eine Frage der Zeit. Ein EU-Diplomat bestätigte: „Politisch ist sie tot, egal ob sie überlebt oder nicht.“ Offenbar wollen die EVPler im Gegenzug den slowakischen Kandidaten Maros Sefcovic aufs Korn nehmen.
Der Crash der bisherigen Außenministerin, Gefolgsfrau des Bulgarischen Premiers Bojko Borissow, ist auch für die deutsche CDU/CSU peinlich. Die CSU-nahe Seidelstiftung hat die Karriere der - in Deutschland promovierten – Soziologin gefördert, die Christdemokraten haben politisch die Hand über sie gehalten. Oettinger muss das weiter nicht beschweren. Der Bewerber für das Energie-Ressort hat nach dem bisherigen Verlauf der Anhörungen verbesserte Chancen, sich als kompetenter Wirtschaftsfachmann und unerschrockener Politiker zu profilieren. Auch wenn die Stimmung etwas aufgeregt ist – die Latte liegt nicht hoch.