Essen. Sie verstehen sich als schweigende Mehrheit Amerikas, die meisten ihrer Mitglieder zählen zur ländlichen Mittelschicht. Sie sind überwiegend weiß, älter, religiöser und finanziell besser ausgestattet als der Durchschnitt.

Innerhalb nur eines Jahres hat sich die Tea Party Bewegung als außerparlamentarische Opposition etabliert, als Bestandteil eines aggressiven politischen Diskurses. Ihr historisches Vorbild ist die gleichnamige Bewegung zu Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Zu den Kerninteressen dieser dezentralen Graswurzel-Bewegung zählt eine deutliche Rücknahme staatlicher Eingriffe in den angeblich freien Markt.

Die Tea Party Patriots, eine Art Dachorganisation der einzelnen Gruppen, richten sich in ihren Forderungen gegen Steuererhöhungen, gegen die Gesundheitsreform, gegen Klimaschutz, gegen big government und die Absicht etlicher Parlamentarier, Haushaltsmittel für Projekte in ihrem Wahlkreis in Gesetzesvorlagen unterzubringen. Erste, spektakuläre Erfolge bei Vorwahlen der Republikaner zum Kongress im Herbst haben sie ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

Tiefe gesellschaftliche Spaltung

Rechtskonservative TV-Sender wie die berüchtigten Fox News spielen bei der Mobilisierung der Aktivisten eine entscheidende Bedeutung. Zu beobachten ist eine Gegenoffensive der amerikanischen Rechten gegen die Wahl des ersten schwarzen, multikulturellen Präsidenten, die jenen Teil des weißen Amerika auf die Barrikaden ruft, der sich im eigenen Land entthront sieht. Zu erklären ist dieses Phänomen auch mit der tiefen gesellschaftlichen Spaltung Amerikas während der Bush-Ära und den erbitterten Debatten über das wahre Wesen der USA. Diese begannen mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan nach dem 11. September 2001 und wurden mit hasserfüllter Lautstärke nach der Wahl Obamas, der Finanzkrise und den sozialen Reformen des Präsidenten fortgesetzt.

Während die amerikanische Linke auf der anderen Seite des politischen Spektrums überzeugt ist, dass die USA ihre eigentliche Revolution noch vor sich haben, wähnt sich die auflebende Rechte in Zeiten des Verfalls, wenn nicht des Verrats. In dieser permanenten Kollision gegensätzlicher Moralvorstellungen ist es der Tea Party Bewegung gelungen, eine zuvor politisch inaktive Bevölkerungsgruppe zu einem beträchtlichen Engagement aufzustacheln. In ihr werden Stimmen laut, die zum gewalttätigen Widerstand gegen die Regierung aufrufen – „mit Worten“, so der Soziologe Norman Birnbaum, „wie man sie zuletzt am Vorabend des Bürgerkrieges in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gehört hatte“.

Für die Republikaner wächst die Gefahr einer Spaltung ihrer konservativen Wähler. Die Grand Old Party wird von der Tea Party Bewegung weiter nach rechts getrieben als ihr lieb ist. Doch deren außerparlamentarische Aktivisten werden ihre radikal-populistischen Positionen mit den pragmatischen Erfordernissen eines Mandates im Kongress kaum vereinbaren können.