Berlin. .
Hochdotierte Beamte werden beurlaubt, damit man ihnen höhere „Leistungsentgelte“ zahlen kann: Diese Praxis in der Bundesdagentur für Arbeit (BA) bringt nicht nur Abgeordnete von Union und Opposition auf die Palme. Die SPD erwägt bereits eine Strafanzeige gegen BA-Chef Frank-Jürgen Weise.
Seit zwölf Jahren sitzt Carsten Schneider schon im Bundestag. „Aber so einen Vorgang habe ich noch nie erlebt“, erzählt der Erfurter SPD-Mann. Der Haushaltsexperte wirft der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor, seit 2007 systematisch gegen geltendes Recht verstoßen zu haben.
Es geht um ein internes BA-System zur außertariflichen Vergütung („AT-Konzept“) von 240 BA-Managern, an dem auch der Bundesrechnungshof und das Arbeitsministerium Anstoß nehmen. In der SPD wird sogar erwogen, Anzeige gegen BA-Chef Frank-Jürgen Weise zu erstatten. Ein Gutachten des Rechnungshofes ist wie ein Wink: Die Haftungsfrage und mögliche Straftatbestände müssten „geprüft und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden“, schreiben die Prüfer in einem Bericht für den Haushaltsausschuss. Bis September soll erst die interne Revision ermitteln. Eines deutet sich schon an: Das umstrittene AT-Konzept ist nicht zu halten.
Vorteile zweier Welten
Weise wird vorgeworfen, dass er das Konzept der Regierung verschwiegen und auch dann nicht herausgerückt hat, als es längst bekannt geworden war. Er hat Mitarbeiter verbeamtet, Beamte wiederum beurlaubt, um sie danach zu höheren Bezügen zu beschäftigen. So glaubte er, gute Leute halten zu können.
Sie nutzten die Vorteile beider Welten aus: Frei ausgehandelte Verträge und Boni wie in der Wirtschaft, Pensionen und Sicherheit des Beamtentums.
Die BA hat die Beurlaubungen nicht ausgewiesen, geschweige denn beantragt. Das hätte sie nach dem Gesetz aber tun müssen. Das System wurde ruchbar, als der Rechnungshof 38 der 240 Arbeitsverträge prüfte. Der Vorwurf, dass gegen das Recht verstoßen worden sei, habe sich „weitgehend bestätigt“, schrieb Sozial-Staatssekretär Gerd Hoofe in einem Brief an den BA-Chef. Der Vorstand nimmt ihn in Schutz. Das System habe nicht Weise allein zu verantworten, sondern der gesamte Vorstand. Das lässt der Rechnungshof nicht gelten. Die Prüfer wollen nachweisen, dass Weise ganz persönlich zuständig ist.
240 Verträge entdeckt
Die Größenordnung ist nicht relevant. Die BA hat 120 000 Mitarbeiterverträge und eine Gesamtlohnsumme von fast 5,4 Milliarden Euro. Da nehmen sich die 240 Verträge und einige hunderttausend Euro relativ bescheiden aus. Aber es geht ums Prinzip.
Viele nachgeordnete Behörden verfolgen interessiert, ob die BA mit ihrem System durchkommt. Zugleich weitet sich der Streit zur Kraftprobe zwischen Ministerium und BA aus. Bisher halten sich Union und FDP freilich zurück, sie bremsen das Sozialministerium von Ursula von der Leyen (CDU), vermeiden Attacken auf Weise. Das wird in Berlin darauf zurückgeführt, dass Weise auch eine Reformkommission der Bundeswehr leitet. Der Mann soll „gepflegt“ werden.
Beurlaubungen üblich
Eigentlich sollte die BA seit 2003 niemanden mehr verbeamten. Sie sieht sich selbst nicht als „Behörde“. Beurlaubungen von Beamten sind wiederum üblich, müssen aber begründet werden. Sie bieten sich an, wenn Beamte für internationale Organisationen wie die EU abgestellt werden. Bei Post und Telekom war es gang und gäbe, Beamte zu beurlauben; sie hatten mit der Privatisierung schließlich Staatsdiener übernommen.
Warum die BA Mitarbeiter zu Beamten macht, hat Weise bis heute nicht schlüssig erklärt. Es gibt andere Wege, gute Leute zu halten. Bei KfW, Bafin oder bei der Finanzagentur des Bundes werden Mitarbeiter außertariflich bezahlt. Vom Bund gebilligt.