London. .
Der britische Premierminister David Cameron hat sich am Dienstag für ein Massaker britischer Soldaten vor 38 Jahren entschuldigt. 13 Menschen waren beim „Bloody Sunday“ am 30. Januar 1972 im nordirischen Derry ums Leben gekommen.
Es waren emotionale Szenen, die der Veröffentlichung des Abschlussberichts vorausgingen: Am Dienstag trafen sich Hinterbliebene in Derry in Nordirland und liefen schweigend jenen Weg nach, auf dem auch ihre Brüder, Söhne und Onkel am 30. Januar 1972 marschiert waren. Sie hatten in jenem Winter gegen die britische Regierung demonstriert, die Gefangene ohne Gerichtsprozess festsetzte, als Fallschirmjäger plötzlich das Feuer eröffneten. 13 Menschen starben im Kugelhagel.
Untersuchungsbericht präsentiert
Warum sie auf die wehrlosen Männer schossen, ob IRA-Aktivisten die Soldaten vom Rand der friedlichen Demonstration zuerst angegriffen hatten und wessen Einsatzbefehlen die Elitetruppe überhaupt folgte – all das waren Fragen, auf die es fast vier Jahrzehnte lang keine abschließende Antwort gegeben hat. Mit Fotos erinnerten die Angehörigen gestern an die Toten, viele umarmten sich auf dem Marsch, andere brachen weinend zusammen.
Am Nachmittag sollte es dann endlich Klarheit geben: Premier David Cameron, der dem Parlament das Fazit von Richter Lord Saville vorstellte, nannte das Vorgehen des Militärs „nicht zu rechtfertigen“. Unter dem Jubel tausender Menschen, die sich mit den Hinterbliebenen in Derry versammelt hatten, sprach Cameron im Namen der Regierung eine Entschuldigung von historischer Dimension aus: „Dies hätte niemals passieren dürfen und es tut mir zutiefst Leid.“
Erster Schuss ohne Vorwarnung
Er bestätigte, dass der erste Schuss ohne Vorwarnung von Soldaten abgegeben wurde und keines der Opfer bewaffnet war. Es habe falsche Befehle gegeben; viele Soldaten hätten außerdem jede Waffendisziplin verloren und später Falschaussagen gemacht, um sich zu schützen.
Bisher hatte die britische Armee immer behauptet, das Feuer lediglich erwidert und in legitimer Notwehr gehandelt zu haben. Tatsächlich aber trugen die Bürgerrechtler – wie Angehörige und Augenzeugen in Nordirland stets betont hatten – weder Bomben noch Schusswaffen bei sich.
Zivilrechtliche Klagen geplant
Für das Ergebnis dieser längsten und teuersten gerichtlichen Untersuchung Großbritanniens hat Lord Saville rund 900 Soldaten und Zeugen befragt. Auf über 5000 öffentlich zugänglichen Seiten soll kein Detail dieses Tages ungeklärt bleiben. Und Petitessen sind es keineswegs: Erst das Blutbad von Derry hat der IRA spürbaren Zulauf beschert; drei Jahrzehnte lang diente der „Bloody Sunday“, der Blutsonntag, als Symbol britischer Willkür zur Rechtfertigung weiterer Gewalttaten und Racheakte.
Vielen Angehörigen ging es gestern nicht mehr um Rache, sondern um Rehabilitierung der Toten. An einer späten Gefängnisstrafe für den Soldaten ist Liam Wray nicht interessiert: „Damit ist niemandem geholfen. Mir reicht es, mit dem Abschlussbericht sagen zu können: Wir haben bewiesen, dass unsere Verwandten keine Schuld trifft. Es hat lange gedauert, aber wir haben es geschafft.“ Wrays Bruder Jim wurde erschossen, als er verwundet am Boden lag. Andere Hinterbliebene planen indessen, auf Grundlage des Reports zivilrechtliche Klagen gegen die mittlerweile pensionierten Soldaten anzustrengen.