Berlin .

Im Sport würde man von einem Start-Ziel-Sieg sprechen. Den muss Ursula von der Leyen (CDU) jetzt schon leisten. Die Arbeitsministerin ist seit Horst Köhlers Rücktritt im Gespräch als künftige Bundespräsidentin. Viele sehen sie als Top-Favoritin. Es fehlt noch eine Quote beim Buchmacher – und man würde ins Wettbüro laufen.

Die Favoritenstellung kann eine Bürde sein. Wenn die zierliche Frau nicht den Job bekommt, ist sie politisch verbrannt, sagen wir mal: angesengt. Und jeder, der an ihrer Stelle den Zuschlag bekäme, etwa Christian Wulff oder Norbert Lammert, stünde als zweite Wahl da. Wie? Keine Frau, keine Charmeoffensive?

Noch nicht im Amt, ist von der Leyen längst der Maßstab. Dass sie den Job könnte, womöglich der Kanzlerin die Schau stehlen würde, steht außer Frage. Der „Stern“ brachte es mal auf den Punkt: „Von der Leyen – das ist Merkel plus Gefühl.“ Und doch ist kein medialer Futterneid zu spüren. Merkel, mit der sie per Du ist, traut ihr die Aufgabe zu. Die siebenfache Mutter ist eine Politikerin aus Berufung und versiert im Umgang mit den Medien. Die gute Nachricht für die 51-Jährige ist, dass weder die FDP noch die CSU eigene Pläne verfolgen. Merkel hat freie Hand.

Merkel will Verständigung mit der SPD

Aber von der Leyen könnte aus drei Gründen noch stolpern. Das erste Hindernis: Merkel ist an einer Verständigung mit der SPD interessiert. Ihr Kandidat muss zwar von Union und FDP auch im Alleingang getragen werden. Dennoch will Merkel versuchen, auf die SPD zuzugehen. Nachdem Horst Köhlers Rücktritt wie eine Staatskrise interpretiert wird, wäre ein Konsens ein Signal.

Die SPD könnte der Kanzlerin abnötigen, eine Alternative zu erwägen. Der kommissarische Bundespräsident, Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen, gibt die Haltung seiner Partei wider, wenn er sich für einen überparteilichen Kandidaten ausspricht. „Das Amt des Bundespräsidenten sollte nicht ein Ergebnis parteipolitischer Festlegungen sein“, mahnte er.

Arbeitsminister Pofalla?

Hindernis Nummer zwei liegt nicht in Berlin. Die Kanzlerin muss 16 CDU-Landeschefs zu Rate ziehen. Was, wenn die Niedersachsen lieber Wulff im Amt sähen? Wulff ist eine Schlüsselfigur, und sei es als Königsmacher, pardon: als Präsidentenmacher. Wenn alle Ja gesagt haben, muss das dritte Hindernis überwunden werden, vielleicht das allergrößte: ein Ersatz für von der Leyen.

Sie führt ein Mammut-Ressort mit einem gewaltigen Etat, knapp 150 Milliarden Euro. Noch. Jetzt muss gespart werden. Keiner könnte es öffentlich eloquenter vertreten als von der Leyen. Als Nachfolger ist Kanzleramtsminister Ronald Pofalla im Gespräch, was eine weitere Umbesetzung nach sich ziehen würde. Merkel will eine in sich geschlossene Lösung präsentieren. Das heißt: mit allen Folgebesetzungen.

Auch Rüttgers im Gespräch

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ins Kalkül zieht. Eine andere Frage ist, ob der Job des Arbeitsministers für ihn selbst infrage käme. Heute trifft Merkel die Unions-Ministerpräsidenten, die vielfach auch Landesvorsitzende sind. Spätestens am Freitag dürfte Merkel ihre Vorschläge publik machen.

Für von der Leyen gibt es in der CDU eine „breite Zustimmung“. Aber man gibt zu bedenken, die anderen Namen seien ebenfalls vorstellbar. Auch Lammert und Schäuble könnten „das Amt in hervorragender Weise ausüben“, bemerkt CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Die SPD stellt sich längst auf Ursula von der Leyen ein und sucht nach einem eigenen Bewerber.

Eine kitzlige Sache: Als Frauen- und als Sozialministerin hat sie Positionen bezogen, die der SPD sympathisch sind. Keine Frage, dass viele SPD-Frauen es gern sähen, wenn eine Bundespräsidentin ge-wählt würde. Da Union und FDP eine Mehrheit haben, ist jeder rot-grüne Gegenspieler ein Zählkandidat. Das erschwert die Suche. Zur Not wird die SPD „Röschen“, wie Ex-Ministerpräsident Ernst Albrecht seine Tochter Ursula nannte, mit der Begründung unterstützen, man wolle die Staatskrise nicht verschärfen. „Röschen“ wäre glatt die Krisengewinnlerin.