Essen. Für Amerikas bulligen Sonderbotschafter Richard Holbrooke ist Pakistan der "gefährlichste Staat der Welt" - und bleibt ein Pulverfass. Nicht nur für ihn.
Die Furcht, Terroristen könne waffenfähiges Spaltmaterial des instabilen afghanischen Nachbarn in die Hände fallen, hält US-Präsident Obama für „die größte Bedrohung für die globale Sicherheit“. Über den legendären Chef des pakistanischen Atomprogramms Abdul Qadeer Khan gelangten so illustre Staaten wie Libyen, Nordkorea oder Iran in den Besitz nuklearer Technik. Die kriminellen Geschäfte dieses pakistanischen „Vaters der Atombombe“ wären ohne Wissen der Armee nicht möglich gewesen.
Nirgendwo in der Welt ist die Gefahr eines nuklearen Lecks größer als im Pulverfass Pakistan, wo sich die meistgesuchten Terroristen der Welt tummeln. Im Grenzgebiet zu Afghanistan wird seit dem Sturz der Taliban-Regierung in Afghanistan die El-Kaida-Führung mit ihrem Chef-Strategen Osama Bin Laden vermutet. Extremistische Milizen der Tehrik-i-Taliban Pakistan operieren, geführt von paschtunischen Stammeskriegern, in Süd-Waziristan. Deren Kerngebiete wurden zwar von pakistanischen Militärs erobert; gleichwohl verantworten sie die Terrorattacken in Afghanistan - und auch den Fehlschlag des Times-Square-Bombers Faisal Shazad in New York.
Terror-Gruppen auch gegen Indien
Verschont vom pakistanischen Militär bleiben, zum gehörigen Missfallen der USA, die afghanischen Taliban. Sie werden in Westpakistan von Drohnen der CIA bombardiert. Unerfüllt blieben bislang Forderungen der pakistanischen Militärs, diese Drohnen auch gegen pakistanische Taliban einsetzen zu können. Insofern sind Amerikaner und Pakistani nicht Partner im Kampf gegen den Terror. Sie führen zwei weitgehend getrennte Kriege gegen jene, die sie jeweils als die größte Bedrohung empfinden.
Schließlich die Lashkar-e-Toiba, die „Milizen der Gerechten“: Einst von pakistanischen Militärs gesponsert, operieren diese Terror-Gruppen gegen den Erzfeind Indien. Sie setzten 2008 den verheerenden Anschlag in Bombay ins Werk und knüpfen enge Kontakte zu El-Kaida und den Taliban.
Pakistans Atom-Arsenal wird von mehr als 10 000 speziell ausgebildeten Sicherheitskräften geschützt. Doch der Diebstahl von nuklearem Material durch Insider oder ein Terrorangriff auf die Atomanlagen bleiben realistische Szenarien – zumal es traditionell enge Beziehungen zwischen den Streitkräften und islamistischen Gruppen gibt. Bis in die pakistanischen Eliten wirkt alles unpopulär, was dem Westen, vor allem aber den USA nützt. Pakistan tut sich schwer, gegen Terroristen vorzugehen, die nicht das eigene Land bedrohen.
Verwirrend wirkt überdies die neue Strategie der USA, mit den Taliban in Afghanistan zu verhandeln. Seither vermag nicht recht plausibel sein, ob die jüngsten Verhaftungen ranghoher Taliban in Pakistan als freundschaftlicher Akt zugunsten der Regierung in Kabul eingestuft werden – oder als Störfeuer gegen erhoffte Friedensgespräche.