Berlin. Trotz Rekordergebnis bei der Wahl haben die Grünen ihre Hauptziele verpasst: Schwarz-Gelb zu verhindern und dritte Kraft im Bund zu werden. Mit Blick auf die nächste Wahl werden Stimmen laut, die ein Bekenntnis zu einem rot-rot-grünen Bündnis im Bund fordern.
„Ich setze mich dafür ein, dass wir möglichst bald wieder eine linke Mehrheit im Bundestag bekommen”, sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele der WAZ-Mediengruppe. „Rot-Rot-Grün ist 2013 die richtige Alternative. Ein Jamaika-Bündnis oder die Ampel sind Träumereien.” Selbst der zum Realo-Flügel der Partei zählende Tübinger Bürgermeister Boris Palmer urteilte nach der Wahl bereits: „Der Sog geht in Richtung Rot-Rot-Grün.”
Ströbeles öffentlich zur Schau gestellte Vorliebe für ein linkes Bündnis auf Bundesebene kommt der Parteiführung derzeit höchst ungelegen. Denn mit 10,7 Prozent sind die Grünen die kleinste Fraktion im Bundestag. Bei zu viel Nähe zum Rest der Opposition liefe die Ökopartei leicht Gefahr, als reines Anhängsel von der SPD und der Linken wahrgenommen zu werden.
„Knallgrüne Opposition”
Gebetsmühlenartig predigt die Parteiführung daher, dass sie eine „knallgrüne Oppositionspolitik” machen will. „Wir wollen einen Kurs der Eigenständigkeit”, sagte Parteichef Cem Özdemir. Eine Koalition in der Opposition gebe es nicht. Gleichwohl will Parteichefin Claudia Roth, die zum linken Flügel der Partei zählt, mit der Linken zusammenarbeiten, wenn es sich inhaltlich ergibt. Ströbele rät zu einem Kurs ohne Kompromisse: „Mein Wahlergebnis zeigt, dass man auch mit einer konsequenten linken Politik zur Volkspartei werden kann.” In seinem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg hatte Ströbele am Sonntag 46,8 Prozent aller Erststimmen und damit das einzige Direktmandat für die Grünen geholt. Zudem bekam die Ökopartei dort 27,4 Prozent aller Zweitstimmen.
Dank an Künast und Trittin
Von Richtungskämpfen wollten die Grünen gestern bei ihrer ersten Fraktionssitzung nichts wissen. Betont gut gelaunt gab sich Fraktionschef Fritz Kuhn, lobte das Wahlergebnis in markigen Worten, bedankte sich bei dem Spitzenduo Renate Künast und Jürgen Trittin und fand auch nette Worte für Ströbele.
Es war wohl einer seiner letzten Auftritte als Fraktionschef. Obwohl die Grünen diese Personalie gestern nicht auf der Tagesordnung hatten, gilt es als ausgemacht, dass der Realo Kuhn dem Partei-Linken Trittin an der Spitze weicht.