Berlin. Künftig soll jeder ein potenzieller Organspender werden. Diese Wege gibt es, aktiv Nein zur Entnahme nach dem eigenen Tod zu sagen.
Jeder Verstorbene in Deutschland soll nach dem Willen der schwarz-grünen Landesregierung künftig grundsätzlich als Organspender in Frage kommen. Das sieht ein Gesetzentwurf zur Einführung der sogenannten Widerspruchslösung vor, den NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Über den Bundesrat soll der Bundestag mit dem Thema befasst werden, der auch das letzte Wort hat. Weil es sich um eine Gewissensentscheidung handelt, sind die Mehrheitsverhältnisse schwer abzuschätzen. Wenn sich die NRW-Pläne durchsetzen, würde nach einer zweijährigen Übergangszeit jeder zum potenziellen Organ- und Gewebespender. Es sei denn, man legt zu Lebzeiten Widerspruch ein. Das kann über einen Eintrag im bestehenden Organspender-Register erfolgen oder anderweitig schriftlich dokumentiert sein. Bei Minderjährigen entscheiden im Zweifel die Eltern. Selbst eine nicht überprüfbare mündliche Willensäußerung gegenüber Angehörigen würde ausreichen.
Organspende: Mündlicher Widerspruch ist nicht überprüfbar
„Am Ende des Tages wird es keine Organentnahme beim Ehemann geben, wenn die Ehefrau ‚Nein‘ sagt“, erklärte Laumann. Der Gesundheitsminister stellte klar, dass auch der Widerspruch gegen eine Organentnahme „im vollen Umfang moralisch zu akzeptieren“ sei. Er wolle allerdings erreichen, dass sich jeder Mensch zu Lebzeiten mit der Frage auseinandersetzt. Eine Organspende sei „der größte Liebesbeweis an die Menschheit“, so Laumann.
Mit dem Gesetzentwurf reagiert NRW auf zahlreiche vergebliche Versuche, mit Öffentlichkeitskampagnen und besserer ärztlicher Aufklärung in den Krankenhäusern die Zahl der Spenderorgane nach oben zu treiben. Ende 2023 warteten in NRW mehr als 1800 Patienten auf meist lebensrettende Transplantationen, während im gesamten Jahr lediglich 965 Organe von 166 Personen gespendet wurden. Im europäischen Organspende-Verbund Eurotransplant ist Deutschland seit Jahren Nehmerland, das von der weitaus höheren Spendebereitschaft seiner Nachbarländern massiv profitiert.
Organspender: Eltern toter Kinder wollen meist gerne helfen
Laumann hofft, dass mit der Widerspruchslösung die Organspende zum Regelfall werde. In Befragungen stünden die meisten Menschen dem Thema positiv gegenüber, scheuten aber offenbar die Auseinandersetzung. Künftig müsste man deshalb aktiv Nein sagen. Laumann verwies auf die vergleichsweise hohe Spendebereitschaft bei verstorbenen Kindern. Eltern wünschten häufig in der Stunde des größten Schmerzes, dass andere Kinder mit transplantierten Organen weiterleben können.
Anders als in anderen Ländern bleibt in Deutschland der festgestellte Hirntod die Voraussetzung für eine Transplantation, für die ohnehin die meisten hochbetagten Sterbenden nicht in Frage kommen. Ein halbes Jahr vor dem möglichen Inkrafttreten des Gesetzes soll eine Informationskampagne starten. Zudem würden Hausärzte danach ihre Patienten regelmäßig darauf hinweisen, dass sie mit Vollendung des 14. Lebensjahres zum potenziellen Organspender werden.