Düsseldorf. Die Konjuntur lahmt, die Steuern sprudeln nicht wie erhofft. Der NRW-Finanzminister hat jetzt erklärt, wie dramatisch die Lage ist.

Wenige Wochen vor Aufstellung des Landeshaushaltsentwurfs für das kommende Jahr bemüht sich NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) um Beruhigung der Lage. Für „Alarmmeldungen“ gebe es keinen Anlass, betonte der Kassenwart der schwarz-grünen Regierungskoalition am Freitag in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Wenn man die kümmerliche Entwicklung des Wirtschaftswachstums, das Einbrechen der Steuereinnahmen und die politischen Ausgabenversprechen betrachtet, kann man auch zu einer anderen Einschätzung kommen.

Wie entwickeln sich die Staatseinnahmen?

?Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) musste in dieser Woche ein unschönes Ergebnis seiner Steuerschätzer bekanntgeben: Die Experten sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Bund, Länder und Kommunen im nächsten Jahr „nur“ 995,2 Milliarden Euro einnehmen werden. Das sind 21,9 Milliarden Euro weniger, als noch im Herbst 2023 prognostiziert worden war.

Was bedeutet der Einbruch der Steuereinnahmen für NRW?

Wie stark die Einnahmeerwartung in Düsseldorf nach unten korrigiert werden muss, wird man erst in der kommenden Woche nach Veröffentlichung einer regionalisierten Steuerschätzung beziffern können. NRW als Nehmerland im Länderfinanzausgleich kann auch noch darauf setzen, dass erfolgreichere Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg das Defizit lindern. Klar ist aber: Die anhaltende Konjunkturschwäche Deutschlands wirft viele Kalkulationen über den Haufen. Für NRW gilt: Ein Prozent weniger Wirtschaftswachstum schlägt mit etwa einer Milliarde Euro Mindereinnahmen zu Buche. Hinzu kommt der „Basiseffekt“ in der mehrjährigen Finanzplanung: Wenn in diesem Jahr das Wachstum deutlich geringer ausfällt als angenommen, ist das in den Folgejahren kaum aufzufangen.

Einsparvorgaben des NRW-Innenministers sorgen für Verunsicherung

Geht Schwarz-Grün schon in diesem Jahr das Geld aus?

„Wir werden uns damit beschäftigen, was das, was jetzt in der Steuerschätzung sich abzeichnet, für den Haushaltsvollzug 2024 weiter bedeutet“, sagte Optendrenk am Freitag. Bislang sei von den Vorgaben für die einzelnen Ministerien „kein Jota abgewichen worden“. Eine Haushaltssperre sei nicht das Mittel der Wahl, weil diese nicht zielgenau wirke. Im Haushaltsjahr 2023 sei es Schwarz-Grün schon einmal gelungen, durch Schwerpunktsetzungen und gezielte Einsparungen mit 386 Millionen Euro weniger als prognostiziert auszukommen. Zur Wahrheit gehört auch: Für den schuldenfreien Haushaltsentwurf 2024 hatte Optendrenk bereits stille Reserven und Mittel des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) anzapfen müssen.

Gibt es Anzeichen für eine finanzielle Schieflage der Koalition?

Ein „Bewirtschaftungserlass“ von Innenminister Herbert Reul (CDU) für seine Beamten und die nachgeordneten Behörden hat zuletzt den Eindruck erweckt, dass die Landesregierung schon vor der Jahresmitte ein heftiges strukturelles Haushaltsproblem hat. Reul ordnete an, zehn Prozent der disponiblen Ausgaben zu kürzen und bei Dienstreisen oder Bewirtungskosten zu sparen. Optendrenk wiegelte ab: „Ein Haushaltsplan ist nicht die Verpflichtung, zu 100 Prozent das Geld auszugeben, das wir bewilligt bekommen haben.“ Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer erklärte, man müsse eben aufs Geld achten, um kein Defizit ins kommende, absehbar noch schwierigere Jahr 2025 zu tragen.

Warum betrachten die Kommunen die Finanzlage in Düsseldorf mit Sorge?

Schwarz-Grün hat viele Finanzzusagen gemacht, aber das meiste noch nicht geliefert. Vor allem der milliardenschwere Altschuldenfonds für die Kommunen lässt auf sich warten. Das Ausführungsgesetz zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung wurde wieder kassiert, mutmaßlich um keine Finanzverpflichtungen gegenüber den Städten einzugehen. Schulfinanzierung und ÖPNV-Pauschale müssten längst erhöht werden. Die Flüchtlingsversorgung reißt Löcher in die Stadthaushalte, die Kitas stehen vor dem Kollaps, der Wohnungsbau liegt am Boden. Ein weiteres beitragsfreies Kita-Jahr ist zugesagt. Die Einführungskosten der Bezahlkarte für Flüchtlinge wollte das Land übernehmen. Die teure „Wärmewende“ muss aus Düsseldorf subventioniert werden. Prognose: Ohne ein Wirtschaftswunder oder eine Aufweichung der Schuldenbremse wird aus den meisten Hoffnungen bis zur nächsten Landtagswahl 2027 nichts mehr.

NRW-Ministerpräsident Wüst gegen Reform der Schuldenbremse

Was wirft die Opposition der schwarz-grünen Finanzpolitik vor?

Die SPD erwartet, dass sich Finanzminister Optendrenk ehrlich macht und Ministerpräsident Hendrik Wüst auf Bundesebene an einer Reform der Schuldenbremse mitwirkt. Da in einem Landeshaushalt 90 Prozent der Ausgaben staatliche Verpflichtungen wie Gehälter sind, setzt man auf kreditfinanzierte Investitionen. Die FDP wiederum will den „Dschungel völlig intransparenter Förderprogramme“ lichten, „endlich Prioritäten setzen“ und den Fokus auf schnelles Wirtschaftswachstum legen, wie Fraktionsvize Ralf Witzel auflistete.

Steht NRW eisern zur Schuldenbremse?

Ministerpräsident Wüst hat deutlich gemacht, dass jede Generation mit dem Geld auskommen müsse, das ihr zur Verfügung stehe. Er reiht sich damit ausdrücklich nicht ein in die Riege anderer CDU-Landesfürsten, die einer Reform der Schuldenbremse das Wort reden. Finanzminister Optendrenk will zwar „nicht dogmatisch“ sein, wenn die Konjunkturkomponente der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse neu justiert werden solle. Er erinnert jedoch daran, dass NRW an einem Schuldenberg von 165 Milliarden Euro trage, für den er zurzeit etwa drei Milliarden Euro Zinsen pro Jahr zahlen müsse. Die Investitionsquote liege heute bei knapp 11 Prozent - also deutlich höher als vor Einführung der Schuldenbremse. „Die Legende, es würde an Investitionen gespart, ist schlicht falsch“, sagt Optendrenk.