Moskau. Russlands Präsident bereitet schon Kinder auf den Kriegseinsatz vor. Bei der diesjährigen Siegesparade zeigt sich das ganz besonders.
Die Siegesparade hat schon Wochen begonnen: Unter dem Motto „Geschichte wiederholt sich“ läuft im sogenannten Siegespark in der Moskauer Innenstadt die Ausstellung von Beutepanzern aus dem Ukraine-Krieg. Zu Tausenden kommen die Besucher, betrachten Waffen aus den Nato-Staaten, darunter auch ein deutscher Schützenpanzer Marder und ein US-Kampfpanzer Abrams. „Wir gewinnen auch diesen Krieg“, sagt einer der Besucher mit Blick auf die Ukraine.
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Krieg als Fest für die ganze Familie: An Ständen im Park können Besucher, darunter auch viele Kinder, eine Kalaschnikow auseinander- und wieder zusammenbauen, Soldatenausrüstungen begutachten und in einer echten Feldküche essen. Geschickt wird der Sieg im Zweiten Weltkrieg mit den Erfolgen russischer Truppen in der Ukraine verknüpft. Im Zentrum der Ausstellung steht ein erbeuteter Leopard-2-Kampfpanzer, unzerstört und angeblich fahrbereit. Deutlich sichtbar: eine aufgemalte Deutschland-Flagge.
Wladimir Putin droht mit den russischen Atomstreitkräften
Deutsche Panzer schossen damals auf Russen, heute geschieht das wieder. Dies ist die Botschaft, die bei den Besuchern verfängt. Ein Mann mit Tochter auf der Schulter sagt: „Damals haben wir sie besiegt und heute auch wieder. Wir unterstützen unsere Kämpfer an der Front.“
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Am Donnerstag dann die traditionelle Siegesparade auf dem Roten Platz. In anderen russischen Städten waren die Paraden aus Sicherheitsgründen abgesagt worden, unter anderem in den an die Ukraine grenzenden Gebieten Brjansk und Kursk. Nicht so in Moskau. Sogar die Luftparade mit Kampfjets fand statt, trotz des schlechten Wetters und leichtem Schneefall auf dem Roten Platz. Noch im vergangenen Jahr hatte man aus Wettergründen auf die übliche Flugshow verzichtet.
Doch diesmal sollte die Parade eine Demonstration militärischer Stärke sein. Rund 9000 Soldaten aus allen Waffengattungen marschierten auf, darunter auch Soldaten, die in der Ukraine gekämpft hatten. Panzer und Raketenwerfer fuhren an der Ehrentribüne vorbei. 79 Jahre nach dem Sieg über Hitler-Deutschland war die Botschaft des neuen und alten russischen Präsidenten Wladimir Putin klar und deutlich: „Wir werden nicht zulassen, dass uns jemand bedroht. Unsere strategischen Kräfte sind immer in Kampfbereitschaft.“ Erneut drohte Putin auch mit den russischen Atomstreitkräften. Diese seien „immer in Alarmbereitschaft.“
Putin stimmt Russlands Bevölkerung auf die zunehmende Militarisierung ein
Das Gedenken an den Weltkrieg nutzte Putin, um den Krieg in der Ukraine als angebliche Fortsetzung des Kampfes gegen den Faschismus darzustellen. Wieder einmal griff der Kremlchef die damals verbündeten Westmächte scharf an. „Sie zerstören die Gedenkstätten für die wahren Kämpfer gegen den Nationalsozialismus.“ Und: „Heute sehen wir, wie man versucht, die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg zu verzerren.“ Am Ende der Rede kündigte Russlands Präsident eine Schweigeminute an. Für „unsere Helden“ im Ukraine-Krieg.
Ob es die Ausstellung im Siegespark ist oder die Parade zum Kriegsende selbst: Russlands Bevölkerung wird eingestimmt auf die zunehmende Militarisierung des Landes. Davon profitieren Regionen, in denen sich die Rüstungsindustrie angesiedelt hat. So hätten Verwaltungsbezirke wie Tula, Rjasan oder auch Nischni Nowgorod im vergangenen Jahr ein überdurchschnittliches Wachstum hingelegt, sagt die renommierte Moskauer Wirtschaftswissenschaftlerin Natalja Subarewitsch. Was zeigt: Russland hält den westlichen Sanktionen stand, auch wenn viele Menschen im Land über die höheren Preise für Konsumgüter klagen.
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Deutlich angesehener ist auch der Soldatenberuf: Er verspricht in Russland sozialen Aufstieg. Umgerechnet mehr als 2.000 Euro beträgt der Sold für den Einsatz in der Ukraine – das Zehnfache der Gehälter in den ärmeren Teilen des Landes. Soldaten werden damit zu Aufsteigern in ihrer Region. Und sie kurbeln den Konsum an.
Schon Kinder werden auf den Krieg vorbereitet
Die Militarisierung des Landes fängt bereits bei den Kleinsten an. Inzwischen gibt es in vielen Städten Zentren für die vormilitärische Ausbildung von Schulkindern und jungen Erwachsenen. „Putin hat die Aufgabe erteilt, eine neue Generation an Patrioten heranzuziehen – wir erfüllen das“, sagt etwa Igor Worobjow, der Direktor des Zentrums für militärisch-sportliche Ertüchtigung und patriotische Erziehung in Wolgograd. Es gehe darum, die jungen Patrioten gut auf den Kriegsdienst vorzubereiten, so Worobjow. Veteranen aus dem Ukraine-Krieg treten in Schulklassen auf, geben „Lektionen in Mut“, berichten russische Medien. In sozialen Netzwerken machen Bilder die Runde, wie Kinder im Unterricht schusssichere Westen anprobieren. Eine Mutter in Moskau erzählt, ihre Tochter habe unlängst – wenig begeistert – eine Gasmaske zum Training überziehen müssen.
Der Krieg in der Ukraine geht derweil mit unverminderter Härte weiter. Bei einem russischen Angriff auf die Stadt Nikopol im Südosten des Landes sind nach Behördenangaben mindestens zwei Menschen getötet worden. Auch griff Russland die Ukraine in der Nacht erneut mit Drohnen an. Bei einem ukrainischen Luftangriff auf die russische Grenzregion Belgorod wurden nach russischen Angaben mindestens acht Menschen verletzt und zahlreiche Häuser und Autos beschädigt. Unter den Verletzten sei auch ein elfjähriges Mädchen, das ins Krankenhaus gebracht worden sei, teilte der Gouverneur der Region mit.
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