Neuss. Der Städtetag NRW sieht wegen des Finanz- und Zuständigkeitsschachers bei der OGS ein Problem, das viele nicht auf dem Schirm haben.
Der künftige Rechtsanspruch auf einen Platz in der Offenen Ganztagsschule (OGS) steht offenbar auf tönernen Füßen. „Wir könnten am Ende auch erleben, dass Eltern ihren Rechtsanspruch durchsetzen wollen und ein Gericht sagt, das ist überhaupt nicht ordentlich übertragen worden vom Bund über die Länder an die Kommunen“, warnte der neue Vorsitzende des NRW-Städtetags, Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), am Mittwoch in Neuss.
Vom 1. August 2026 an haben bundesweit alle neuen Grundschüler einen Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz. Ab 2029 ist die Nachmittagsbetreuung dann für alle Grundschul-Jahrgänge obligatorisch, wenn Eltern für ihre Kinder einen Platz wünschen. Bislang gingen viele Familien leer aus. Die Landesregierung hatte zuletzt das angekündigte Ausführungsgesetz zurückgestellt und lediglich „fachliche Grundlagen“ für den Nachmittagsbetrieb in den Grundschulen beschlossen.
Droht in NRW ein Offener Ganztag nach Kassenlage
Dahinter steckt offenbar das Kalkül, keine gesetzlichen Vorgaben zu schaffen, für die das Land finanziell aufkommen müsste. Ursprünglich wollte Schwarz-Grün im Ausführungsgesetz landesweite Standards für Räumlichkeiten, Personalschlüssel, Mitarbeiterqualifikation, Gruppengrößen oder Betreuungszeiten definieren. Das ist aus Sicht von Praktikern notwendig, schon weil rund 80 Prozent der Nachmittagsangebote an den Grundschulen in NRW bislang in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtsverbände stattfinden.
Eiskirch warnte vor einem Offenen Ganztag „nach Kassenlage“. Man benötige unbedingt eine schulgesetzliche Verankerung. „Wir wollen da nicht aus der Verantwortung, aber wir wollen die Unterstützung und wir wollen die klaren Regelungen, die wir an dieser Stelle brauchen“, so der Städtetags-Chef. Es drohe sonst „eine Schimäre von Rechtsanspruch“.
Ohnehin seien die Städte im Zeitverzug: „Wir müssten schon seit drei Jahren bauen, wir haben bis heute keine wirkliche Rechtsgrundlage, was wir denn bauen müssen“, klagte Eiskirch. Es bestehe die Gefahr, dass die Städte das OGS-Versprechen, das andere gegeben hätten, nicht einhalten könnten.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) mahnte überdies eine grundsätzliche Neuordnung der Schulfinanzierung an. Die von der Landesregierung angekündigte Reform stecke noch immer in den Kinderschuhen. Dabei sei der Druck enorm. 100.000 zugewanderte Kinder seien aktuell in der Erstförderung und müssten bald in Regelklassen integriert werden.
Programm an Brennpunktschulen: Helfen andere Länder ihren Städten besser?
Das letzte Wort ist laut Kufen auch noch nicht beim milliardenschweren „Startchancen-Programm“ von Bund und Ländern zur Unterstützung benachteiligter Schulen gesprochen. „Einen kommunalen Eigenanteil soll es geben, der ist aber noch nicht klar“, sagte der CDU-Politiker. Das Programm, das 900 Schulen in NRW mit insgesamt 2,3 Milliarden Euro über zehn Jahre unterstützen soll, sieht zumindest im Investitionsteil bislang einen kommunalen Eigenanteil von 30 Prozent vor.
Die SPD-Bildungsexpertin im Landtag, Dilek Engin, forderte die schwarz-grüne Landesregierung auf, sich ein Beispiel an deren Bundesländern zu nehmen, die den kommunalen Anteil übernähmen. „Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung NRW ebenso viel Verantwortung für die Zukunft unseres Landes übernehmen würde wie der Bund und andere Landesregierungen. Wir werden im Landtag darüber debattieren müssen, warum die Landesregierung ihrer Verantwortung bei den nötigen Investitionen in die schulische Infrastruktur nicht gerecht wird, und fordern sie dazu auf, den vorgesehen Eigenanteil aus Landesmitteln zu tragen“, erklärte Engin.