Düsseldorf. Der Rechtsanspruch auf OGS-Betreuung rückt näher. Jetzt sagt die NRW-Familienministerin, was möglich ist - und was eben nicht.

NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) hat die Erwartungen vieler Eltern an die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in zwei Jahren deutlich gedämpft. „Mit der Einführung des Rechtsanspruchs ab dem 1. August 2026 wird es schlichtweg nicht möglich sein, alles mit einem Federstrich aufzubereiten. Da sollten wir uns miteinander ehrlich machen“, sagte Paul am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag.

Es müsse allen klar sein, „dass zunächst der quantitative Ausbau im Vordergrund steht und gleichzeitig mit einem bestehenden Fachkräftemangel umgegangen werden muss“, so Paul weiter. „Die Umsetzung des bundesgesetzlichen Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ist eine Herausforderung, ist ein Kraftakt“, bat die Grüne um Verständnis. Sie würde ja gerne „alles im ersten Aufschlag regeln“, weil sie der festen Überzeugung sei, dass Offene Ganztagsschulen (OGS) einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit für Kindern und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Eltern leisteten.

Die schwarz-grüne Landesregierung steht seit Wochen in der Kritik, weil sie ein angekündigtes Ausführungsgesetz mit Standards für die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf OGS-Betreuung überraschend nicht vorgelegt hat. Das Kabinett beschloss lediglich allgemein gehaltene „fachliche Grundlagen“ für den Nachmittagsbetrieb in den Grundschulen.

Ab 2029 ist die Nachmittagsbetreuung für alle Grundschulkinder obligatorisch

Ab August 2026 werden bundesweit alle neuen Erstklässler einen Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz haben. Ab 2029 ist die Nachmittagsbetreuung dann für alle Grundschul-Jahrgänge obligatorisch, wenn Eltern für ihre Kinder einen Platz wünschen. Bislang gingen viele Familien leer aus.

In einem Ausführungsgesetz sollten auf Landesebene Standards für Räumlichkeiten, Personalschlüssel, Mitarbeiterqualifikation, Gruppengrößen oder Betreuungszeiten definiert werden. Rund 80 Prozent der Nachmittagsangebote an den Grundschulen in NRW finden bislang in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtsverbände statt.

SPD-Oppositionsführer Jochen Ott attackierte Ministerin Paul in der Landtagsdebatte: „Wahrscheinlich fehlt Ihnen wirklich die Kompetenz, ein Gesetz vorzulegen.“ FDP-Fraktionschef Henning Höne sprach von einem „kommunikativen Rückzugsgefecht“, da plötzlich niemand in der Regierung mehr etwas von einem OGS-Gesetz wissen wolle.

In Düsseldorf wird über Uneinigkeit zwischen Schul- und Familienministerium gemunkelt. Es sei unklar, wie eng Schulalltag und Angebote der Jugendhilfe künftig verzahnt werden sollen. Zudem fürchte das Land, bei zunehmend leeren Kassen mit allzu konkreten gesetzlichen Vorgaben finanzielle Verpflichtungen gegenüber Kommunen und Kreisen einzugehen.

80 Prozent der Nachmittagsbetreuung in NRW findet in freier Trägerschaft statt

„Sobald der Willensbildungsprozess der Landesregierung abgeschlossen ist, wird das Parlament einbezogen“, blockte Paul ab. Sie wolle keine „Wasserstandsmeldungen“ über die internen Beratungen geben. Die kommunalen Spitzenverbände hingegen, die den Rechtsanspruch umsetzen müssen, sind mit ihrer Geduld längst am Ende. Solange kein Ausführungsgesetz beschlossen sei, müssten die Kommunen davon ausgehen, „dass es keine zusätzlichen Mittel vom Land für die Ganztagsförderung gibt“, hatte der Städtetags-Vorsitzende, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), schon vor vier Wochen entgeistert festgestellt.

Die schwarz-grüne Koalition verweist darauf, dass bereits Jahr für Jahr mehr Betreuungsangebote geschaffen würden. „Der Ausbau läuft und läuft und läuft“, sagte CDU-Fraktionsvize Jan Heinisch am Donnerstag im Landtag. Tatsächlich wurden zuletzt durchschnittlich 34.000 OGS-Plätze pro Jahr geschaffen.

Die Freien Wohlfahrtspflege hält gerade wegen des rasanten Ausbaus gesetzliche Qualitätsstandards für unabdingbar. Theoretisch könne eine ungelernte Aushilfskraft ohne weitere personelle Unterstützung 60 Kinder in einem fensterlosen Kellerraum der Schule betreuen. „Der Träger würde dennoch eine Betriebserlaubnis bekommen“, heißt es dort.

Ganztagsangebote gibt es in NRW zwar bereits seit 20 Jahren. Mehr als 95 Prozent aller Grundschulen bieten inzwischen eine Betreuung bis in den späteren Nachmittag an. Doch mit dem Rechtsanspruch verbindet sich eigentlich die Hoffnung, deutlich mehr Kinder auch mit außerschulischen Angeboten zu erreichen. So macht sich der Landessportbund dafür stark, dass das Land konkrete Vorgaben zur Vereinsbeteiligung für ein qualifiziertes Sport- und Bewegungsangebot am Nachmittag macht und dafür auch ein entsprechendes Budget zur Verfügung stellt.

SPD-Mann Ott warf Ministerin Paul vor, dass sie nur eine Disziplin entschlossen fördere: Die OGS bleibe für viele Familien im Land „ein einziger Hindernislauf“.