Berlin. Im TV-Talk ging es mal wieder ums beliebteste deutsche Symbolthema. Ein extrem verbissener Moderator drängt FDP-Vize Vogel in die Ecke.
Irgendwann im Laufe der Debatte bei Markus Lanz möchte man dem arg attackierten FDP-Vize Johannes Vogel an diesem Abend zurufen: Gib auf, es macht keinen Sinn mehr! Gib denen, was sie wollen und sag endlich ja zum Tempolimit. Aber das schafft er nicht, der Liberale. In die Ecke gedrängt vom zunehmend verbissenen Moderator, der von der „Klima-Aktivistin“ Carla Reemtsma unterstützt wird, gehen ihm irgendwann die Argumente aus, und er versteift sich auf das Bollwerk der Liberalen: Das Tempolimit sei eine unnötige Regulierung.
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Vogel verweist auf die unsinnige Abschaltung der AKW – Alles umsonst
Vogel schlägt tapfer seine argumentativen Haken: Er zählt auf, wo die Regierung beziehungsweise sein Parteikollege, Verkehrsminister Volker Wissing, überall bereits an Tempo beim Klimaschutz im Verkehr zulegt: Ausbau des ÖPNV, Ausbau der E-Lade-Infrastruktur, das Deutschland-Ticket. Er verweist darauf, dass Deutschland insgesamt seine Klimaziele zuletzt übererfüllt hat. Er beharrt darauf, dass in der Gesamtbetrachtung die Abschaltung der Atomkraftwerke klimapolitisch ein haarsträubender Kardinalfehler gewesen ist (weil die dadurch wegfallende Versorgungssicherheit durch Kohle und Gas ausgeglichen werden muss) – allein, es nutzt nichts alles. Reemtsma und Lanz ist das alles egal: Sie wollen Vogel unbedingt beim Tempolimit festnageln.
Am Ende fällt das Tempolimit bei den Klimazielen kaum ins Gewicht
Es sei, wie Vogel zwischendurch etwas gequält anmerkt, ein völliges Symbolthema. Die Wirkungen eines Tempolimits sind tatsächlich umstritten: Das Bundesumweltamt (übrigens eine Behörde des grün regierten Umweltministeriums) schreibt einigermaßen zuversichtlich und mit optimistischen Annahmen: Bei Einführung eines Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Treibhausgasmissionen des Straßenverkehrs durch die Verringerung der durchschnittlichen Geschwindigkeit um 4,2 Prozent gesenkt. Wenn man auch 80 km/h auf den Landstraßen verordnet, kommt man auf 5,1 Prozent Minderung – pro Jahr maximal acht Millionen Tonnen CO2, bei einem bundesdeutschen Gesamtausstoß von etwa 750 Millionen Tonnen. Natürlich kann man wie der arg eifernde Moderator und die „Klima-Aktivistin“ darauf beharren, dass man diese Einsparungen einfach als Mitnahmeeffekte verbuchen könnte. Nur hat auch Vogel seinen Punkt: Das macht den Klimakohl letztlich nicht wirklich fett.
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Wer Klimaschutz will, der kann jetzt schon langsam fahren
Was allerdings weder Reemtsma noch Lanz bei der Debatte um die Klimaziele im Verkehr erwähnen: Dass die Deutschen weiterhin und in einigen Regionen sogar mehr Auto fahren, ist ja am Ende oft reine Notwehr: Wer jemals versucht hat, in ländlichen Regionen ÖPNV zu nutzen oder beruflich auf die Bahn angewiesen ist, der weiß, warum man dann doch immer wieder in den Pkw steigt. An dieser Stelle hätte man sich an dem Abend die Verbissenheit gewünscht, die um das Thema Tempolimit aufgebaut wird.
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Ein Argument, das der Liberale Vogel vergessen hat, zu erwähnen: Es ist ja trotz fehlenden Tempolimits nicht verboten, langsamer unterwegs zu sein, um das Klima zu schützen. In der Tat tun das ja auch die meisten Menschen bereits: Tatsächlich fahren auch auf Abschnitten ohne Tempolimit rund 77 Prozent der Autofahrer langsamer als 130 km/h, wie eine IW-Studie zeigt. Weitere zwölf Prozent fahren zwischen 130 und 140 km/h, und weniger als zwei Prozent fahren schneller als 160 km/h. Das heißt, ein Tempolimit trifft am Ende relativ wenige Fahrer. Ist das ein Argument dafür? Wenn man noch dazu zählt, dass bereits auf über einem Drittel der deutschen Autobahnen die Geschwindigkeit reguliert ist, dann macht das Limit aus Klimaschutzgründen wahrscheinlich kaum Sinn, da hat Vogel wohl recht.
Aber damit diese nervige Debatte beendet wird und weil inzwischen auch eine kleine Mehrheit der Deutschen dafür ist, und wir weiß Gott andere Themen haben, um darüber zu streiten: Macht es einfach bei moderaten 130 km/h und Ruhe ist.
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