Brüssel. Tiefe Besorgnis beim EU-Gipfel: Russland erwartet brisante Waffenhilfe im Krieg gegen die Ukraine. Kann die EU den Deal noch stoppen?
Neue Bedrohung für die im Krieg gegen die russischen Invasoren: Greift die russische Armee bald mit iranischen Raketen an, die ukrainische Ziele in hunderten Kilometer Entfernung präzise treffen sollen? Der Iran steht im Verdacht, er werde die Boden-Boden Raketen in Kürze an Russland liefern. Deshalb schlagen die EU-Regierungschefs jetzt Alarm – beim EU-Gipfel in Brüssel drohten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen dem Iran massive Konsequenzen an.
Der Europäische Rat sei „extrem besorgt über Berichte, dass der Iran Russland ballistische Raketen und damit verbundene Technologie für den Einsatz in der Ukraine übergeben könnte“, heißt es in der am Donnerstagabend beschlossenen Gipfel-Erklärung. Teheran habe dem russischen Regime bereits Drohnen geliefert, die in erbarmungslosen Attacken gegen die ukrainische Zivilbevölkerung verwendet worden seien.
Sollte der Iran nun auch Raketen bereitstellen, sei die Europäische Union auf eine schnelle Antwort mit neuen und bedeutenden Restriktionen vorbereitet, in Kooperation mit internationalen Partnern – gemeint sind vor allem die USA. Die Warnung bezieht sich auf Geheimdienst-Erkenntnisse, nach denen die Abstimmung zwischen Russland und Iran über die Lieferung in einem fortgeschrittenen Stadium sein soll.
Aber auch gegen Nordkorea und Belarus sollen laut Gipfelbeschluss neue Sanktionen vorbereitet werden: Sie helfen demnach Russland dabei, westliche Verbote für die Lieferung von Technologieprodukten zu umgehen. Der Gipfel sicherte zugleich weitere Unterstützung für die Ukraine zu – „so lange und so intensiv wie nötig“. Die Militärhilfe müsse jetzt beschleunigt und intensiviert werden.
Zur Finanzierung von Waffenkäufen könnten Zinserträge aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen in Höhe von 200 Milliarden Euro verwendet werden; der Gipfel gab dafür aber noch kein grünes Licht, sondern erteilte der Kommission den Auftrag, die Arbeiten für diesen Zugriff voranzutreiben. Kanzler Scholz sagte, er rechne mit Einigkeit bei dem Thema. Die Regierungschefs warnten, Russland dürfe im Ukraine-Krieg nicht die Oberhand gewinnen. Die Ukraine benötige dringend vor allem Luftabwehrsysteme, Munition und Raketen.
Die Luftabwehr würde noch dringender benötigt, sollte der Iran tatsächlich wie befürchtet mehrere hundert Raketen liefern – sie würden der russischen Armee, die in zwei Jahren insgesamt rund 800 Raketen aus eigener Herstellung auf die Ukraine abgefeuert hat, eine deutliche Intensivierung ihres Zermürbungskriegs ermöglichen. Die Ukraine verfügt zur Abwehr solcher Raketenangriffe nur über eine begrenzte Anzahl von Waffen, etwa Patriot-Systeme, deren Einsatz obendrein teuer ist.
Nach US-Militärangaben umfasst das iranische Arsenal etwa 3000 Raketen. Vor allem die Raketen der Fateh-Klasse sind in den vergangenen Jahren weiter entwickelt worden mit erhöhter Präzision und größerer Reichweite. Die Fateh-110 mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern hat der Iran schon im Irak, Syrien und Pakistan eingesetzt. Russlands Präsident Wladimir Putin soll aber auch an der weiter reichenden Rakete Zolfaghar interessiert sein. Bislang hat der Iran vor allem Shahed-Kamikaze-Drohnen und Munition an Russland geliefert. Pläne für Raketenlieferungen hat Teheran dementiert. Aber offenbar hat Russland angeboten, im Gegenzug andere, vom Iran benötigte Rüstungsgüter zu schicken.