Berlin. Kremlchef Putin droht mit dem Einsatz von Atomwaffen. Europa darf sich nicht von Russland einschüchtern lassen. Doch die Uhr tickt.
Selten war ein Urnengang so voraussagbar wie die bevorstehende russische Präsidentschaftswahl. Der alte (und neue) Staatschef Wladimir Putin wird haushoch gewinnen. Der Sieg wird mit allem Pomp und Tschingderassabum gefeiert. Aber Lamentieren hilft nichts. Der Westen muss sich auf den altbekannten Allein- und Langzeitherrscher einstellen. Das Problem ist, dass es in Amerika und Europa keine gemeinsame Plattform mehr gibt. Die einst geschlossene Front bekommt zunehmend Risse.
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Putins Krieg: In letzter Zeit strahlt Kanzler Scholz Schwäche aus
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am 27. Februar 2022 – drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – die Rede seines Lebens gehalten. Klarsichtig definierte er die „Zeitenwende“ als die Kernfrage, ob „wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen“.
In letzter Zeit strahlt der Kanzler jedoch nicht Stärke, sondern Schwäche aus. Sein betonhartes Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, sein immer wieder vorgebrachtes Bekenntnis, dass Deutschland „weder direkt noch indirekt“ in den Krieg verwickelt werden wolle, wird vom Kremlchef als Hasenfüßigkeit ausgelegt.
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Wohlgemerkt: Niemand fordert, dass Deutschland als Kriegspartei auftritt. Aber einen Aggressor wie Putin muss man über die eigenen Absichten im Unklaren lassen. Scholz nimmt vordergründig das Unbehagen vieler Bundesbürger vor einer Ausweitung des Konflikts auf. In Wahrheit handelt er damit nach dem Drehbuch Putins. Der ehemalige KGB-Offizier kann Angst riechen. Er weiß, wann er mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen muss, um die Menschen einzuschüchtern.
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Macron gibt Russland gegenüber den verbalen Zampano
Die Gegenposition zu Scholz nimmt derzeit Emmanuel Macron ein. Der französische Präsident übt sich in kraftmeierischer Rhetorik und bringt sogar die Entsendung von Nato-Bodentruppen in die Ukraine ins Spiel. Das ist wenig glaubhaft – vor allem, wenn es später mit der Verschickung von „Experten“ relativiert wird.
Macron hat jedoch mit seiner Forderung recht, dass die Ukraine den Krieg „gewinnen“ müsse – in Scholz‘ defensiver Tonlage heißt es nur, sie dürfe „nicht verlieren“. Fragwürdig ist allerdings Macrons Inkonsequenz. Im Sommer 2022 hatte der Franzose noch vor einer „Demütigung“ des russischen Präsidenten gewarnt. Heute gibt er den verbalen Zampano. Berechenbarkeit sieht anders aus.
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Der Westen sollte sich mit Stärke, Mut und Konsequenz wappnen
Klarer ist die Haltung der Polen und Balten – Russlands Nachbarn, die eine leidvolle Vergangenheit mit der Sowjetunion haben. Für Polens Ministerpräsident Donald Tusk steht fest: Die Ukraine kämpft für Freiheit und Unabhängigkeit. Fällt sie, ist auch Europa nicht mehr sicher. Deshalb muss das Land maximale Waffenhilfe bekommen.
Der Ansatz ist richtig. Der Westen sollte sich gegen Putins Russland mental und militärisch wappnen. Ruhig im Ton, aber mit Stärke, Mut und Konsequenz. Der Kremlchef denkt strategischer, als viele meinen, und weiß, dass schlagkräftige Rüstungspotenziale abschrecken.
Weimarer Dreieck trifft sich in Berlin – EU muss gemeinsame Stärke aufbauen
US-Präsident Joe Biden sieht dies ähnlich. Doch ihm sind innenpolitisch die Hände gebunden, weil die Republikaner im Kongress das 60-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine blockieren. Die Partei ist Bidens Herausforderer Donald Trump hörig, der lieber heute als morgen einen Deal mit Putin abschließen würde – zulasten der Ukraine.
Egal wie die US-Präsidentschaftswahl im November ausgeht: Die EU hat nur eine kurze Schonfrist, um gemeinsame Stärke aufzubauen. An diesem Freitag treffen sich Scholz, Macron und Tusk in Berlin. Hoffentlich haben sie begriffen, was die Stunde geschlagen hat.