Düsseldorf. Der NRW-Ministerpräsident wirft dem „Bund“ Zeitspiel vor und sagt klar, was bis zum 20. Juni in der Migrationspolitik passieren muss.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat enttäuscht auf die Bund-Länder-Konferenz zur Flüchtlingspolitik am Mittwoch in Berlin reagiert. „In der Migrationspolitik braucht es Tempo statt Zeitspiel. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen: Auch in diesem Jahr wird der Migrationsdruck auf Deutschland enorm sein“, erklärte Wüst nach Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

In einer großen Kraftanstrengung hätten Bund und Länder Anfang November gemeinsam gute Beschlüsse gefasst, so der NRW-Regierungschef: „Das ist jetzt 17 Wochen her. Die Inventur der Umsetzung der gefassten Beschlüsse durch den Bund ist heute ernüchternd ausgefallen.“

Asylgipfel: Kanzler rechnet vor, warum sich Umstellung bei Ukrainern verbietet

Der Kanzler verwies dagegen auf eine Arbeitssitzung, bei der es vor allem um eine Bestandsaufnahme gegangen sei. Die Gesetze seien auf dem Weg und müssten nun abgearbeitet werden. Man habe sich „wegbegeben vom Achselzucken“ und sei nun in einem Modus der „realen Tat“.

Eine klare Absage erteilte der Kanzler Forderungen, ukrainischen Kriegsflüchtlingen kein Bürgergeld mehr zu bezahlen, sondern nur noch die niedrigeren Asylbewerberleistungen. Auch Wüst hatte im vergangenen Herbst eine „offene und ehrliche Diskussion“ gefordert, ob die schnelle Vermittlung von Ukrainern in den Arbeitsmarkt, die sich mit dem sofortigen Bürgerleistungsbezug verbunden hatte, der richtige Weg sei. Der Kanzler machte nun eine andere Rechnung auf: Die sofortige Integration von Flüchtlingen aus der Ukraine in das bundesweite Sozialsystem habe den Ländern Ersparnisse von fünf Milliarden Euro gebracht. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand fordert, diese fünf Milliarden wieder selbst zahlen zu wollen“, kommentierte Scholz.

Ruanda-Modell: Asylverfahren sollen außerhalb der EU stattfinden

Der hessische Ministerpräsident und aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidenten-Konferenz, Boris Rhein (CDU), äußerte die Erwartung, dass beim nächsten Treffen mit dem Kanzler am 20. Juni festgelegt werden kann, an welchem Tag die Bezahlkarte für Flüchtlinge startet und welche Leistungen dann noch in bar gewährt werden. Außerdem solle das Prüfergebnis zu Asylverfahren in Drittstaaten vorliegen.

Dafür hatte sich vor allem Wüst stark gemacht. Der NRW-Ministerpräsident verweist seit Monaten darauf, dass die Hälfte der in NRW lebenden Asylbewerber keine Aussicht auf dauerhaften Schutz hat, aber meist auch nicht abgeschoben werden kann. Deshalb müssten illegale Einreisen und gefährliche Fluchtrouten von vornherein durch Asylverfahren außerhalb der EU verhindert werden.

Ministerpräsidenten-Konferenz: NRW-Kommunen üben Kritik

Großbritannien verfolgt die Idee bereits unter dem Titel „Ruanda-Modell“. Asylverfahren würden unter Regie der Vereinten Nationen in afrikanische Länder verlagert, die dafür entschädigt werden. Wer sich trotzdem auf den Weg nach Europa macht, würde sofort ohne Prüfung der Fluchtgründe erst einmal zurückgeschickt. „Die Liste der unerledigten Hausaufgaben durch die Ampel-Regierung ist ellenlang. Die Bundesregierung hat den Ernst der Lage offensichtlich nicht erkannt“, kritisierte Wüst.

Auch aus den NRW-Kommunen kam Kritik an den Ergebnissen des Bund-Länder-Treffens. Der Präsident des Landkreistags NRW, Olaf Gericke, vermisste konkrete Lösungen für die drängenden Probleme an der Basis: „Es muss erlaubt sein zu fragen: Wo sollen die Menschen wohnen, woher kommen die Sprachkurse, wie sollen sie integriert werden und wer soll das alles bezahlen?“