Düsseldorf. NRW-Schulministerin Feller ermuntert Lehrer öffentlich, mit ihren Schülern zu demonstrieren. Verstößt das gegen das Neutralitätsgebot?
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat Lehrer und Schüler überraschend deutlich zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus aufgerufen. „Ich möchte Lehrkräfte ausdrücklich ermuntern, an diesen Demonstrationen für unsere lebendige Demokratie teilzunehmen, um ein Zeichen zu setzen – gern auch mit ihren Schülern“, sagte Feller der „Neuen Westfälischen“. Auf die Nachfrage, ob ihr Aufruf auch ein Zeichen gegen die AfD umfasse, sagte die CDU-Politikerin: „Unser Ministerpräsident hat die AfD jüngst als Gefahr für die Demokratie bezeichnet. In diesem Sinne begrüße ich jedes Engagement für Demokratie und gegen alle Feinde des Rechtsstaates.“
Damit nimmt die Diskussion über das politische Neutralitätsgebot für Beamte in NRW eine neue Wendung. Noch Anfang Februar hatte Feller heftige Kritik einstecken müssen, als die Bezirksregierungen die 200.000 Lehrkräfte an das „Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot“ für Staatsdiener vor Wahlen erinnert hatten. Bedienstete sollten sich „in einem Zeitraum von fünf Monaten vor Wahlen zu Vorgängen ihres dienstlichen Aufgabenbereichs grundsätzlich nicht auf öffentlichen politischen Veranstaltungen äußern, wenn eine Rückwirkung auf den Wahlkampf möglich ist“, hieß es dort. Am 9. Juni stehen Europawahlen an.
NRW: Anfang Februar gab es noch eine Erinnerung an das Neutralitätsgebot für Lehrer
Feller war das Routineschreiben als Absage an die Demos gegen rechts ausgelegt worden, an denen auch viele Lehrkräfte in ihrer Freizeit teilgenommen hatten. Die GEW beklagte damals fehlendes Fingerspitzengefühl der Schulministerin und einen unpassenden Zeitpunkt für eine offizielle Mahnung zur Mäßigung.
Nun erfolgt mit der ausdrücklichen Ermunterung zur gemeinschaftlichen Demonstration von Pädagogen mit ihren Schülern offenbar eine Art Kurskorrektur. Die AfD-Landtagsfraktion kündigte am Donnerstag umgehend eine juristische Prüfung an. „Die Schulen haben vor allem die Aufgabe, den Schülern Wissen und Bildung zu vermitteln. Sie dürfen keine ideologischen Politikaderschmieden sein, wie Frau Feller sich dies offensichtlich wünscht“, kritisierte AfD-Bildungspolitiker Christian Blex.
AfD-Landtagsfraktion in NRW lässt Demo-Aufruf juristisch prüfen
Feller kann sich jedoch darauf berufen, dass ein öffentliches Bekenntnis zu Menschenrechten und der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht die Neutralitätspflicht des staatlichen Bildungssystems verletze. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nennt die AfD sogar „eine brandgefährliche Nazi-Partei“ und hat bereits persönlich an einer Demonstration in Oberhausen teilgenommen. Innenminister Herbert Reul (CDU) trat als Verfassungsminister jüngst sogar bei einer Demo in Leichlingen als Redner auf.
Im Zusammenhang mit den „Klimastreiks“ von „Fridays for Future“ hatte das NRW-Schulministerium vor fünf Jahren noch eine eher skeptische Haltung gegenüber politischen Demonstrationen eingenommen, dies jedoch mit dem einkalkulierten Unterrichtsausfall begründet. Die Straßenumzüge gegen rechts finden in der Regel abends oder am Wochenende statt.
2015 hatte der damalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, der inzwischen von der SPD zum „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) gewechselt ist, eine wegweisende Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht kassiert. Er hatte im Rathaus das Licht ausschalten lassen, um bei einem islamfeindlichen „Dügida“-Aufmarsch ein Zeichen gegen Intoleranz zu setzen. Die Bundesverwaltungsrichter urteilten damals, ein Amtsträger dürfe sich zwar am politischen Meinungsbildungsprozess beteiligen, „ihn aber nicht lenken und steuern“.