Die Kinderarztpraxen sind rappelvoll, Telefone dauerbesetzt. Ab 18. Dezember gilt die telefonische Krankschreibung - wieso das hilft.
- Wenn Eltern ihr krankes Kind zuhause betreuen müssen, können sie ärztliche Bescheinigungen bald auch telefonisch und ohne Praxisbesuch bekommen.
- Möglich sein soll das ab 18. Dezember.
- Kennt der Arzt oder die Ärztin das Kind, kann eine Bescheinigung für den Bezug von Kinderkrankengeld für maximal fünf Tage ausgestellt werden.
In dieser Woche gab es bei Kinderarzt Michael Achenbach bislang nicht einen Tag, an dem er nicht seinen Anrufbeantworter angeschaltet hat. „Wir haben an jedem Tag Zeiten, in denen es drunter und drüber geht und wir keinen weiteren Patienten mehr annehmen können. Dann müssen wir den Anrufbeantworter anschalten“, berichtet der Kinderarzt aus der vordersten Reihe der aktuellen Erkältungswelle.
Das Wartezimmer sei übervoll - aber längst nicht nur mit Kindern, die schwere Infekte haben. In seiner Infektionssprechstunde, so schätzt der Facharzt aus dem Sauerland, machen Eltern einen beachtlichen Anteil aus, die ihr erkranktes Kind nur in die Praxis bringen, weil sie den Kindeskrankenschein für den Bezug von Kinderkrankengeld benötigen.
Kinderkrankenschein: Auch mit nur leicht erkranktem Kind im Wartezimmer
„In der letzten Woche kamen 25 Prozent der Eltern nur in meine Infektionssprechstunde, weil sie den Schein für ihren Arbeitgeber benötigen“, sagt Achenbach. Manche sagten das noch vor der Untersuchung des Kindes. „Wir haben hier in der Praxis RSV-Infektionen, wir hatten jetzt auch wieder ein Kind mit Corona. Es ist doch absoluter Irrsinn, dass Eltern sich mit einem leicht erkrankten Kind in ein volles Wartezimmer setzen sollen, nur damit der Arzt hinterher die Krankschreibung fürs Kind ausfüllt.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das nun ändern. Eltern sollen am Telefon beim Kinderarzt um die Krankschreibung bitten können. Diese Regelung soll bereits ab Montag, 18. Dezember umgesetzt werden. Konkret sollen Bescheinigungen für den Bezug von Kinderkrankengeld laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für maximal fünf Tage ausgestellt werden können - wenn das Kind dem Arzt oder der Ärztin bekannt ist und sie die telefonische Ausstellung als vertretbar ansehen.
So sollen die Praxen entlastet und Infektionen vermieden werden. Erst seit einer Woche gilt die telefonische Krankschreibung für Berufstätige.
Kinderarzt: Weniger Patienten in der Praxis heißt mehr Zeit fürs Telefon
Kinderarzt Achenbach nennt die Neuerung „mehr als überfällig“. Seit die telefonische Krankschreibung für Erwachsene wieder gilt, erhalte er Anrufe von Eltern, die das gleiche für ihre Kinder erfragen. Aber wie soll das gehen, wenn Praxen kaum telefonisch zu erreichen sind?
Der Facharzt glaubt, dass sich die Erreichbarkeit durch die telefonische Krankschreibung verbessern könne. „Wenn weniger Kinder aus rein formalen Gründen zu uns kommen, haben wir mehr Zeit für die anderen und dafür, um zum Beispiel ans Telefon zu gehen“, sagt Achenbach, der auch Sprecher des „Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen“ in Westfalen-Lippe ist.
Praxen griffen auch zu Hilfsmitteln, um dem hohen Aufkommen gerecht zu werden. Achenbach setzt Künstliche Intelligenz ein, die Symptome bei den Eltern abfragt und dies schriftlich an den Arzt weiterleitet.
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Auch Elternvertreter begrüßen die Änderung. Oft dauere nicht nur die Terminanfrage, sondern auch das Warten in der Praxis sehr lange, sagt Daniela Heimann vom Landeselternbeirat für Kitas. „Es ist sinnvoll, wenn die Kapazitäten geschont werden und Eltern der Weg erleichtert wird.“
Achenbach, der als Kinderarzt in Plettenberg die einzige Kinderarztpraxis betreibt und ein gefragter Mann ist, sieht weiteren Handlungsbedarf. So müssten Geflohene ab Tag eins einen Kinderkrankenschein vorlegen, wenn sie nicht zum obligatorischen Sprachkurs gehen können. Sind sie selbst erkrankt, haben sie einen Tag Karenzzeit.
Bis zu 15 Kinderkrankentage: Anzahl der Fälle geht aber zurück
Während der Corona-Pandemie waren die Kinderkrankentage auf 30 Arbeitstage pro Jahr und Elternteil erhöht worden. Für 2024 soll ein Anspruch von 15 Tagen je Elternteil oder 30 Tage für Alleinerziehende bestehen.
Ein Blick in die Zahlen zeigt: In der aktuellen Erkältungswelle haben bislang deutlich weniger Eltern Kinderkrankentage in Anspruch genommen als in den beiden Vorjahren. Für Oktober und November dieses Jahres kommt die AOK Rheinland/Hamburg auf 27.433 Kinderkrankentage bei 11.120 erkrankten Kindern. Im Vorjahreszeitraum waren es 42.892 Tage, im zweiten Pandemie-Winter 2021 sogar 44.515.