Berlin. Wegen einer Aussage über orthodoxe Juden wird dem Autor Richard David Precht Antisemitismus vorgeworfen. Das ZDF zieht Konsequenzen.
Nach einer umstrittenen Aussage des Autors Richard David Precht zum orthodoxen Judentum im ZDF-Podcast „Lanz und Precht“ hat die Redaktion des ZDF die entsprechende Passage entfernt. Precht hatte in der aktuellen Ausgabe behauptet, die Religion verbiete streng orthodoxen Juden zu arbeiten. „Ein paar Sachen, wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen.“ Die Vorlage zu der Aussage gab Markus Lanz, der von seinen Begegnungen mit Orthodoxen in Israel erzählte: „Die meisten von ihnen arbeiten nicht, weil sie sich vollumfänglich der Religion widmen.“ Prechts Reaktion bestätigte er mit Einwürfen wie „richtig“ und „genau“.
In der Podcast-Folge sprechen Lanz und Precht über ihre Eindrücke aus Israel und Gaza. Precht äußert sich besorgt über die Situation in der Region. Er warnt vor einem eskalierenden Gewaltkreislauf, bei dem israelische Reaktionen auf die Gräueltaten der Hamas zu weiterer Gewalt und verstärkter Unterstützung der Hamas durch arabische Staaten führen könnten. „Israel bekommt jetzt natürlich durch das enorme Unrecht und die Verbrechen, die da begangen sind (sic!), eine Art Freibrief. Und du weißt nicht, wofür der langfristig genutzt wird. Und da habe ich Angst vor“, so Precht.
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In den sozialen Medien sorgte die Diskussion für einen Sturm der Entrüstung. Auf X (vormals Twitter) werfen zahlreiche Nutzer Precht und Lanz vor, alte Vorurteile gegen Juden zu schüren und antisemitische Stereotypen zu verbreiten. Dass Juden historisch in Finanzberufe gedrängt wurden, liegt an der Ausgrenzung durch christliche Europäer, die ihnen damals im Christentum verpönte Berufe als Nische überließen. In Israel leben außerdem etwas mehr als eine Million ultraorthodoxer Juden. Laut Regierungsangaben ist die Mehrheit der Frauen, aber nur rund die Hälfte der Männer berufstätig. Die Männer studieren im Alltag die Tora und den Talmud. So ist traditionell die Aufteilung in ultraorthodoxen Familien in Israel. Allerdings ist laut israelischen Medienberichten ein größerer Teil der orthodoxen Juden unter anderem in der israelischen Hightechindustrie tätig.
Antisemitische Aussagen: Richard David Precht will sich in kommender Folge äußern
Das ZDF reagierte am Sonntag auf die Kritik. „Wir bedauern, dass eine Passage in der aktuellen Ausgabe von ‚Lanz & Precht‘ Kritik ausgelöst hat. An einer Stelle wurden komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt, was missverständlich interpretiert werden konnte“, hieß es am Sonntag im Begleittext zur aktuellen Folge des wöchentlich erscheinenden Podcasts.
Auch Precht meldete sich zu Wort. Er sagte in einem nachträglich eingefügten Statement vor der Folge, dass eine Formulierung gefallen sei, die Anstoß erregt und zu Kritik geführt habe. „Das möchten wir natürlich nicht und das bedauern wir auch sehr, dass das so ist. Zumal es nicht ansatzweise irgendwie so gemeint gewesen ist, wie es aufgefasst wurde.“ Der Autor kündigte an, in der kommenden Folge über die Aussagen reden zu wollen.
Kritik von Deutsch-Israelischer Gesellschaft und israelischer Botschaft
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft zeigte sich empört. „Mazal tov, die Herren Precht & Lanz, ein ganz neuer Tiefpunkt!“, schrieb die Deutsch-Israelische Gesellschaft auf der Plattform X. Precht empöre mit antisemitischen Aussagen.
Bereits am Samstag hatte die israelische Botschaft in Deutschland Precht Antisemitismus vorgeworfen. „Schuster bleib bei deinen Leisten: Lieber Richard David Precht, wenn man keine Ahnung vom Judentum hat, sollte man besser nichts darüber sagen, als uralte antisemitische Verschwörungstheorien aufzuwärmen“, teilte sie auf X mit. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende CDU-Vorsitzende und Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU, Karin Prien. „Antisemitische Stereotype by Superphilosoph Richard David Precht. Deutschland 2023. Fassungslos.“
Das ZDF reagierte in einer Stellungnahme auf die Kontroverse. Der Sender erklärte, dass eine Passage in der aktuellen Ausgabe von „Lanz & Precht“ missverständlich interpretiert werden konnte, da komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt wurden. Das ZDF entfernte den umstrittenen Satz aus dem Podcast und bat Richard David Precht, eine Art Entschuldigung aufzunehmen, die den Hörern vor der nächsten Ausgabe des Podcasts präsentiert wurde.
Dass Prechts Aussagen auf breite Kritik stoßen, kommt nicht das erste Mal vor. In der jüngeren Vergangenheit hatten unter anderem Aussagen Prechts über Außenministerin Annalena Baerbock für Schlagzeilen gesorgt. Der Psychologe Jo Groebel erklärte daraufhin im Gespräch mit unserer Redaktion, warum der Philosoph immer wieder aneckt. Ein zentraler Kritikpunkt aus seiner Sicht: „Als Meister der Worte, der Precht zweifellos ist, scheint ihm selbstkritisches Denken eher fremd zu sein. Er kommt oft mit verabsolutierten Wahrheiten, die sich dann doch als nicht zutreffend erweisen.“
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