Washington. Nach dem Angriff auf Israel empfiehlt Elon Musk mit Falschinformationen gespickte Kanäle. Was das über seinen Umgang mit „X“ verrät.
Seit seiner spektakulären Übernahme der früheren Social-Media-Plattform Twitter, die er mittlerweile in „X“ umgetauft hat, betreibt der reichste Erdenbürger Elon Musk einen Kreuzzug gegen herkömmliche Medienorganisationen. Sein Versuch, nach dem Kriegsausbruch zwischen Israel und der Hamas seinem hauseigenen Kanal einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, ging aber kräftig daneben, und nun sieht sich der Tech-Unternehmer wachsender Kritik ausgesetzt.
Gemeint hatte Musk es nach dem brutalen Angriff der radikalislamischen Milizen auf Hunderte von israelischen Zivilisten eigentlich als Verdienst an seinen etwa 160 Millionen Followern. „Um den Krieg in Echtzeit zu verfolgen, sind @WarMonitors und @sentdefender gut“ schrieb er auf X. Lange blieb der Post nicht online. Denn als der Multimilliardär nach drei Stunden darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei den empfohlenen Kanälen um regelrechte Lügenfabriken handelte, die sich durch die Verbreitung provokanter und hetzerischer Falschnachrichten profiliert haben, wurde der Post prompt gelöscht.
Lesen Sie auch: Ukraine: Schlägt sich Elon Musk auf die Seite von Putin?
X: Elf Millionen User hatten Musks später gelöschte Empfehlung gesehen
Die Probleme, die Musks unüberlegter Schnellschuss verursachte, sind aber zahlreich. Sie beginnen damit, dass zwischenzeitlich nicht weniger als elf Millionen Menschen seine Empfehlung gesehen hatten, viele von ihnen der Vorgabe folgten und die beiden kontroversen Sites einen steilen Anstieg ihrer Nutzerzahlen verzeichneten. Beide Plattformen bedankten sich sogar bei Musk für die Gratiswerbung.
Bedenklicher als die Tatsache, dass der X-Eigentümer auf gründlichere Recherche verzichtete, um als Erster am Ball zu sein, sind nach Ansicht von Kritikern die Inhalte, die auf War Monitor – zu Deutsch „Kriegsüberwacher“ – und Sentdefender veröffentlicht werden. Sentdefender, das sich als „Geheimdienstmonitor mit Fokus auf Europa sowie weltweite Konflikte“ versteht, ist dem eigenen Account zufolge eine „Nachrichten- und Medienorganisation“ mit Sitz im US-Staat Georgia. Wer der oder die Drahtzieher hinter der Seite sind, ist aber nur Gegenstand von Spekulationen.
Zu den spektakulärsten Lügen, die beide weiterverbreiteten, zählte im Mai die Falschmeldung über eine angebliche Explosion in der Nähe des Weißen Hauses. Die unnötige Panikmache um einen möglichen Terroranschlag, der keiner war, führte sogar zu Kursverlusten an den Aktienmärkten, ehe die von Musk gegeißelten „Mainstream-Medien“ die Lage richtigstellten und berichteten, dass die angebliche Explosion eine reine Fiktion gewesen sei.
Auch spannend: Messias-Komplex: Stürzt Elon Musk die Welt ins Unglück?
Experten schätzen Sentdefender als unseriös ein
Bei Fehlmeldungen allein lässt es aber War Monitor offenbar nicht immer bewenden. So sorgte die Medienplattform vergangenes Jahr für Aufsehen, als sie antisemitische Aussagen veröffentlichte. Unter anderem wurde die Meinung vertreten, dass „Zionisten die überwältigende Mehrheit der Menschen im Medien- und Bankengeschäft sind“. Einem Journalisten, der daran Anstoß nahm, wurde gesagt: „Geh einen Juden verehren, kleiner Bruder.“
Unterdessen sind sich Experten einig, dass Musk einen gefährlichen Präzedenzfall schafft, indem er zwei Kanäle, die wissentlich Lügen sowie antisemitische Ansichten verbreiten, sogar aktiv fördert. So ist der Medienforscher Emerson Brooking von der Denkfabrik Atlantic Council der Überzeugung, dass Sentdefender „ein absolut giftiger Account ist, der regelmäßig falsche sowie unverifizierte Inhalte veröffentlicht“ und offenbar nur das Ziel habe, weitere Abonnenten zu gewinnen.
Trotz der Blamage unmittelbar nach dem Kriegsausbruch im Nahen Osten setzt Musk seine Kampagne gegen herkömmliche Medien unbeirrt fort und bleibt bei der Überzeugung, dass X eine bessere Plattform sei, um sich verlässlich zu informieren. Dabei ist eine klare Mehrheit der unabhängigen Medienexperten der Ansicht, dass X in dem Versuch, als seriöses Medium und ernst zu nehmende Alternative zu traditionsreichen Unternehmen wie CNN, der „New York Times“ oder der „Washington Post“ angesehen zu werden, sich bisher als Desaster erwiesen hat.
Lesen Sie auch: Empörung nach Soros-Tweet: Ist Elon Musk ein Antisemit?
Hohe Toleranz gegenüber Falschmeldungen
Alles andere als dienlich ist dem Ruf des Unternehmers auch, dass er seit der Übernahme des damaligen Twitter auffallend hohe Toleranz gegenüber Falschnachrichten und auch Antisemitismus demonstriert hat. So wurde seit dem Kriegsausbruch auf anderen Accounts als War Monitor und Sentdefender geschrieben, dass die USA acht Milliarden Dollar an Wirtschaftshilfe für Israel bewilligt hätten. Tatsache ist aber, dass nur drei Milliarden freigegeben sind und das Geld in Waffen sowie andere Rüstungsgüter fließt.
Zudem hatte schon im September für Schlagzeilen gesorgt, dass Musk vorgeworfen wurde, auf X extremistische und antisemitische Äußerungen zu dulden. Der Milliardär ging damals nicht den Vorwürfen nach, sondern kokettierte stattdessen mit Klagen gegen die jüdische Organisation Anti-Defamation League (ADL). Dann legte er nach und schrieb auf seiner Plattform, wie ironisch es sei, dass er offenbar keine Wahl habe, „als eine Klage wegen Diffamierung (englisch: „Defamation“) gegen die Anti-Defamation League einzuleiten“.
Es war nicht das erste Mal, dass sich Musk mit der ADL anlegte. Zuvor hatte er der Organisation vorgeworfen, für einen großen Teil der massiven Verluste bei Werbeeinnahmen auf X verantwortlich zu sein. Der Verlust des Börsenwertes seiner Plattform, den die ADL auf dem Gewissen habe, könne sich auf über 20 Milliarden Dollar belaufen, sagte Musk.
- Gerichtsurteil: Paukenschlag in Israel – Ultraorthodoxe müssen zur Armee
- Verletzter Verdächtiger: Palästinenser auf Motorhaube gebunden – Empörung über Israels Militär
- Regierung unter Druck? Massenproteste in Israel – größte Demo seit Monaten
- Islamisten: Stärkste Angriffe seit Kriegsbeginn – Hisbollah beschießt Israel
- Nach Rettung: Geisel Noa Argamani befreit – Das war ihr erster Wunsch