Berlin. Deutschland steht vor einem neuen Winter ohne russisches Gas. Experten sagen, wie man Energie spart, ohne Lebensqualität zu verlieren.

  • Verbraucher mussten sich vergangenes Jahr große Sorgen um das Thema Heizen machen
  • Nun beginnt der Herbst und damit auch die Heizperiode
  • Energieexperten geben im Gespräch mit unserer Redaktion wichtige Tipps, wie Verbraucher ohne Probleme sparen können

Katzenwäsche mit dem Waschlappen statt Duschen – das war im vergangenen Winter ein Tipp von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum Energiesparen. Wie viele Bürger den tatsächlich befolgt haben – fraglich. Klar war aber: Es muss gespart werden.

Nach Deutschland fließt seit dem Spätsommer 2022 kein russisches Gas mehr – Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Hierzulande bedeutete das vergangenen Winter: Energiesparen, was das Zeug hält. Doch wie sieht es jetzt aus? Reicht das Gas in den Speichern? Können wir auch sparen, ohne unsere Lebensqualität zu mindern? Experten geben Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wie sicher ist unsere Gasversorgung diesen Winter?

„Wir sind deutlich besser vorbereitet als im letzten Jahr“, sagt der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dieser Redaktion. Denn die Gasspeicher in Deutschland sind zu 94 Prozent gefüllt. „Wir können also optimistisch sein für den nächsten Winter.“ Trotzdem schränkt Müller ein, dass es für eine Entwarnung noch zu früh sei. „Es verbleiben Risiken.“

Seit die Energiequellen aus Russland weitgehend versiegt sind, wird Deutschland besonders aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien mit Gas beliefert. In Belgien und den Niederlanden liegen große Häfen, in denen Schiffe Flüssigerdgas (LNG) anlanden. Von den Häfen gelangt das Gas über Pipelines nach Deutschland. Bislang sind drei LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin in Betrieb. Außerdem gibt es Verträge unter anderem mit den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar.

Was sind die größten Risiken bei der Gasversorgung?

Nach wie vor ist der russische Gashahn in Europa nicht komplett zugedreht. Vor allem Österreich und Ungarn sind nach wie vor stark abhängig von Gas aus Russland. Etwa 60 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs kommt derzeit aus Moskau. Und daran wird sich auch in naher Zukunft kaum etwas ändern. Denn Wien hat einen Langzeitvertrag mit Gazprom – über die nächsten 17 Jahre, bis 2040 fließt also russisches Gas in die Alpenrepublik.

Was passiert, wenn Putin auch diesen Gashahn abdreht? „Wenn die Belieferung zum Beispiel von Österreich eingestellt wird, dann dürfte es auch wieder zu Preissprüngen am Gasmarkt kommen“, sagt die Wirtschaftsweisin Veronika Grimm. „Sollte dort die Versorgung ausfallen, müssen wir aushelfen und hätten weniger Gas selbst zur Verfügung.“

Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller.
Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Bundesnetzagentur-Chef Müller erinnert an die Verwundbarkeit der Gasversorgung mit Blick auf die Infrastruktur. Dies hätten nicht zuletzt die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee gezeigt. „Solche Szenarien dürfen wir nicht ignorieren.“

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Müssen wir genauso sparen wie vergangenen Winter?

Die Aufforderungen zum Gassparen gingen im Winter 2022/23 sehr weit. Der langjährige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) riet etwa, gleich zwei Pullover anzuziehen. Die Deutschen sollten nicht „jammern“. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ließ wissen, dass er schneller dusche als früher. In öffentlichen Gebäuden und vielen Büros wurden die Temperaturen runtergeregelt, teilweise unter 20 Grad.

Ob es diesen Winter wieder so kommt? Deutschland ist jedenfalls vorbereitet, hat seine Abhängigkeit von russischem Gas überwunden, andere Lieferpartner gefunden und seine Gasspeicher aufgefüllt. Dennoch sagt Müller: „Wenn es sehr kalt wird, werden wir erleben, wie schnell sich die Speicher leeren.“ Seine Behörde werde daher auch dieses Jahr zu einem sparsamen Gasverbrauch aufrufen, kündigt der Präsident der Bundesnetzagentur an. „Gas ist weiterhin deutlich teurer als vor der Krise. Sparen schont den Geldbeutel und das Klima und hilft der sicheren Versorgung.“

Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung.
Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung. © picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Auch die Wirtschaftsweise Grimm blickt zwar optimistischer in den Winter als noch im vergangenem Jahr. Sie weiß aber auch: „Die Kapazität der Speicher reicht weiterhin nicht aus, um bei dem früheren Verbrauchsniveau ohne russisches Gas komplett über den Winter zu kommen.“ Sie hält es für richtig, sich auf die kalte Jahreszeit und auf Sparen einzustellen.

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Deutschlands oberste Verbraucherschützerin Ramona Pop hält Energiesparmaßnahmen weiterhin für nützlich – wenn auch nicht so extrem wie vergangenes Jahr. Für Verbraucher könnte es besonders mit dem Blick auf den eigenen Geldbeutel interessant sein zu sparen. „Energiesparen ist gut fürs Klima und angesichts der weiter hohen Energiepreise natürlich auch der entscheidende Hebel, um Geld zu sparen“, sagt Pop.

Sparen, ohne die Lebensqualität zu beeinträchtigen - geht das?

Wer keine zwei Pullis daheim tragen will oder sich nur mit dem Waschlappen waschen möchte, für den hat Pop einen Tipp. „Wer zum Beispiel die Heizung vor dem Winter richtig einstellt oder einen digitalen Thermostat am Heizkörper installiert, kann bares Geld sparen.“

Was sie damit meint? Stellt man das Thermostat auf eine sehr hohe Stufe, heizt es nicht automatisch schneller. Die Heizung wird aber besonders heiß – und das frisst sehr viel Energie und Geld. Laut Verbraucherzentrale sind 20 Grad Raumtemperatur in Wohn-, Bad- sowie Kinder- und Arbeitszimmer optimal. Im Schlafzimmer und Küche könnte die Temperatur sogar darunter liegen.

Ramona Pop die Chefin der Bundesverbraucherzentrale.
Ramona Pop die Chefin der Bundesverbraucherzentrale. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Doch auch schon Kleinigkeiten können manchmal helfen. Der Tipp der Verbraucherzentrale: Die Heizkörper sollten möglichst frei stehen. Also keine langen Vorhänge vor die Heizkörper hängen und keine großen Sofas oder andere Möbel davorstellen.

Was können Verbraucher jetzt schon tun?

Müller blickt besonders auf die Heizungen, um Energie zu sparen. Sowohl für Eigenheimbesitzer als auch Mieter gelte es daher, sich jetzt schon auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten. „Dazu gehören zum Beispiel die optimale Einstellung der Gasheizung und energetische Investitionen.“ Ökonomin Grimm rät: „Investitionen in die Energieeffizienz sollten in diesem Jahr angegangen werden, wenn man sie ohnehin plant.“ Eine neue Heizungsanlage könnte jeden ganz persönlich von Gas unabhängig machen.

Die Wirtschaftsweise weiß aber auch: „Eine Hürde stellen dabei die knappen Kapazitäten im Handwerk dar – nicht jeder wird einen Handwerker finden, der die Vorhaben umsetzt.“ Ihr Tipp lautet daher, einfachere Maßnahmen wie etwa die Dichtung von Türen oder Fenstern selbst in die Hand zu nehmen. Pop rät Eigenheimbesitzern zudem, sich von einem Energieberater Tipps zu holen. „Hier sind ja vor allem langfristige Maßnahmen klima- und geldschonend.“