Berlin. Innenministerin Nancy Faeser hat Vorschläge für schnelle Abschiebungen gemacht. Nicht nur die Opposition vermutet persönliche Motive.
„Ein erster Schritt“, „Wahlkampfmanöver“ oder „zu langsam, zu zögerlich“? Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit Vorschlägen für strengere Abschieberegelungen ein geteiltes Echo ausgelöst. Kritik richtete sich auch gegen Faeser selbst, die als Spitzenkandidatin der SPD zur hessischen Landtagswahl im Oktober antritt.
Die Lage vor Ort ist extrem angespannt, viele Städte und Gemeinden sehen sich aufgrund hoher Flüchtlingszahlen überfordert. „Unsere Kommunen sind am Limit“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dieser Redaktion. „Doch statt Konsequenz gibt es nur Diskussionspapiere: zu wenig, zu langsam, zu zögerlich.“
Faeser: Ausreisegewahrsam soll künftig vier Wochen dauern können
Nach Beratungen in den vergangenen Monaten hat Innenministerin Faeser jetzt Vorschläge für strengere Abschieberegeln gemacht, die sie mit Ländern und Kommunen diskutieren will. Demnach soll etwa die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage verlängert werden. „Damit erhalten die Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten“, begründet Faesers Ministerium die Forderung. Die Landkreise begrüßten den Schritt: „Dies trägt praktischen Erfahrungen allein mit Blick auf die Bereitstellung von Transportmöglichkeit wie der Verfügbarkeit erforderlicher Polizeikräfte Rechnung“, sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager dieser Redaktion.
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In der Ampel-Koalition dagegen sorgt Faeser mit ihrem Vorschlag für Spannungen: „Wenn mehr Zeit als die zehn Tage benötigt werden sollte, kann entsprechend die Abschiebehaft beantragt werden“, sagte die Grünen-Innenexpertin Lamya Kaddor dieser Redaktion. „Da der Ausreisegewahrsam jedoch bereits unter geringeren Voraussetzungen möglich ist, liegt hier nahe, dass so lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen der Abschiebungshaft umgangen werden sollen.“ Der Ausreisegewahrsam soll verhindern, dass sich jemand einer kurz bevorstehenden Abschiebung entzieht. Daneben gibt es auch die Abschiebungshaft, die sich über Monate erstrecken kann.
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Grüne werfen Faeser Verstoß gegen Absprachen vor
Kaddor warf Faeser vor, gegen Absprachen der Koalition zu verstoßen. Es sei „verwunderlich“, dass Faeser trotz eines abgestimmten Verfahrens für das nächste Migrationspaket nun „restriktive Aspekte“ vorziehen wolle, sagte die Grünen-Politikerin. „Wir erwarten von der Bundesinnenministerin, dass sie Vereinbarungen einhält – unabhängig von ihrer Kandidatur.“
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Widerspruch und Klagen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen nach Faesers Plänen keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Die Ministerin will es der Polizei zudem erlauben, auf der Suche nach einer Person, die abgeschoben werden soll, etwa in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als nur das Zimmer des Gesuchten zu betreten. Dies sei „sinnvoll“, sagte Landkreistagspräsident Sager. „Es gab in der Vergangenheit immer wieder auch Fälle, in denen Ausreiseverpflichtete nach einer Ankündigung nicht auffindbar waren.“
Faeser ist SPD-Spitzenkandidatin in Hessen: Alles ein Wahlkampfmanöver?
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, forderte ein höheres Tempo bei den Verfahren: „Die Umsetzung der Maßnahmen wäre ein erster Schritt, reicht aber alleine nicht aus.“ Es brauche eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren bei aufenthaltsrechtlichen Fragen. Diese Entscheidungen müssten schnell getroffen werden, damit dann eine Abschiebung auch vollzogen werden könne. Vergangenes Jahr wurden fast 13.000 ausreisepflichtige Ausländer abgeschoben. Ende 2022 waren gut 304.000 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig, davon etwa 248.000 aber mit einer Duldung.
Die Union kritisierte Faesers Vorschläge scharf. „Die einzige Rückführung, die Nancy Faeser mit diesem Diskussionspapier erreichen will, ist ihre eigene: Zurück in die Landespolitik nach Hessen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), dieser Redaktion. Ihr Entwurf sei ein „Wahlkampfmanöver ohne Substanz“, die Vorschläge habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) „schon vor Monaten“ mit den Bundesländern vereinbart. Außerdem fehle mit der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer der wichtigste Punkt.
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Wüst: Es müssen weniger Menschen kommen, die kein Recht auf Asyl haben
„Wir haben die Pflicht, jenen Menschen gerecht zu werden, die unseren Schutz brauchen. Das gelingt uns am besten, wenn weniger zu uns kommen, die gar kein Recht auf Asyl haben“, sagte auch NRW-Ministerpräsident Wüst. „Menschen aus Ländern, die EU-Beitrittskandidaten sind, haben dieses Recht in der Regel nicht. Das muss sich auch in der asylpolitischen Praxis widerspiegeln.“ Doch auch in dieser Frage verhinderten die „offenkundigen Unstimmigkeiten“ in der Ampel-Regierung eine Lösung.
Der Städte- und Gemeindebund forderte, Algerien, Tunesien und Marokko sowie Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen. „Hier muss die Bundesregierung ihre eigenen Blockaden endlich überwinden“, verlangte auch Landkreistagspräsident Sager und nannte außerdem Moldawien und die Türkei. „Die geringe Zahl der Anerkennungen von Asylgründen rechtfertigt dies.“
Pro Asyl: Ruf nach Abschiebungen um jeden Preis vergiftet Stimmung im Land
Der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, kritisierte Faesers Vorstoß. „Die Debatten über Abschiebungen führen nicht dazu, dass mehr Menschen abgeschoben werden oder die Kommunen entlastet werden“, sagte Alaows dieser Redaktion. „Sie führen dazu, dass mit den Menschen, die abgeschoben werden, viel härter umgegangen wird.“ Es müsse über die Unterstützung der Kommunen diskutiert werden. „Wer nach Abschiebungen um jeden Preis ruft, vielleicht weil ein Wahlkampf vor der Tür steht, der bestätigt nur die Positionen der Rechten wie der AfD und vergiftet die Stimmung im Land gegenüber Geflüchteten.“
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