Kiew. Sie ist so berühmt für ihre Haarpracht wie für ihre klaren Positionen: Julia Timoschenko will Präsidentin der Ukraine werden. Premierministerin ist die charismatische Politikerin bereits - schließlich ist sie nicht ansatzweise so zerbrechlich, wie sie wirkt.
Dem Wahlkampf geschuldet will sie sich von ihrem Markenzeichen, dem zum runden Zopf geflochtenen Haarkranz, trennen. Seit 2002 trägt Julia Timoschenko, die blonde Premierministerin der Ukraine, dieses "Steuerrad meines Lebens", wie sie sagt.
Jetzt will die 49jährige Staatspräsidentin werden. Und ihre Chancen, bei den Wahlen am 17. Januar gewählt zu werden, stehen gut. Ihr stärkster Konkurrent unter den 18 Kandidaten ist der frühere Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, zu dessen Gunsten die Wahlen vor fünf Jahren gefälscht werden sollten. Dem Amtsinhaber Viktor Juschtschenko hingegen, mit der zerbrechlich wirkenden, aber mit stählernen Nerven ausgestatteten Premierministerin Timoschenko heillos zerstritten, werden keine Chancen zur Wiederwahl eingeräumt.
Viele Machtspiele
Fünf Jahre nach der Orangenen Revolution, mit der die demokratischen Kräfte das autoritäre Regime des Präsidenten Kutschma in die Knie zwangen, ist die Ukraine zwar immer noch ein chaotisches Land, geprägt von persönlichen Intrigen der herrschenden Eliten, grassierender Korruption und undurchsichtigen Machtspielchen. Aber innen- wie außenpolitisch ist das Land deutlich stabiler, die Ukraine kennt konkurrierende und oppositionelle Parteien, gelegentliche Raufereien im Parlament und eine vielstimmige Presse. Und jenseits aller Intrigen werden demokratische Wahlentscheidungen respektiert. So akzeptierte Janukowitsch, einst der Mann Moskaus aus dem russischsprachigen Osten der Ukraine, zwei Wahlniederlagen und gibt sich seither als Oppositionsführer.
Ein neuer Gaskrieg der Ukraine mit Russland um den Transit russischen Erdgases gilt als unwahrscheinlich. Mit der Hilfe der EU im Rücken kann Premierministerin Timoschenko Kredite abrufen, falls die Ukraine wieder klamm bei der Begleichung der Gasrechnungen aus Moskau sein sollte. Zudem will sich die Ukraine an den Reparaturen der Rohrleitungen nach Westeuropa beteiligen, um deren Kontrolle nicht völlig in russische Hände zu geben. Dennoch bleibt das Verhältnis zu Russland prekär, auch wenn Wladimir Putin begreifen musste, dass seine Gassperren weniger das Ansehen der Ukraine beschädigten als jene seiner europäischen Kunden in ihrer Sorge bestätigte, die sich zu abhängig von russischen Rohstofflieferungen wähnen.
Werbung für Nato-Beitritt
Weil auch in der Ukraine die Stimmung kippte, ist im laufenden Wahlkampf der Streit um den Standort des Landes zwischen Russland und dem Westen an den Rand gerückt. Niemand, außer Juschtschenko, wirbt mehr für den Nato-Beitritt, dem eine Mehrheit der Bevölkerung skeptisch gegenüber steht. Stattdessen wirbt Julia Timoschenko, wegen angeblicher Beamtenbestechung einst in Russland steckbrieflich gesucht, für eine klar auf die EU ausgerichtete Politik – und eckt damit noch nicht einmal in Moskau an. Beide Spitzenkandidaten, Janukowitsch deutlicher als Timoschenko, wollen mit dem großen russischen Nachbarn gut auskommen – wohl nicht zuletzt wegen der prekären ökonomischen Lage, unter der die Ukraine zu leiden hat.