Köln. Fünf Prozent mehr Gehalt fordern Verdi und der Beamtenbund für den Öffentlichen Dienst. Viel Sympathie schlägt ihnen dafür nicht entgegen. Dabei gehen die Einkommen in Diensten von Staat und Stadt stark auseinander. Lehrer und Feuerwehrleute gehören zu den Verlierern der letzten 20 Jahre.

Vierzig Millionen Deutsche arbeiten. Vier Millionen davon arbeiten im Öffentlichen Dienst, als Beamte oder als Angestellte. Für zwei Millionen von ihnen – die Beschäftigen beim Bund und bei den Kommunen – beginnen an diesem Mittwoch Tarifverhandlungen. Es sind die ersten des neuen Jahres. Geht es nach der Tradition, könnte das Ergebnis ein Signal für alle folgenden Lohnrunden sein.

Doch das Ringen der Tarifpartner im Öffentlichen Dienst in diesem Jahr steht unter besonderen Krisen-Vorzeichen: Der Bund macht dramatisch mehr Schulden. Die Kommunen operieren mit Not-Etats. „Höhere Löhne und Gehälter für die Beschäftigten auf Pump zu finanzieren ist keine Lösung, sondern schränkt die Handlungsfähigkeit der Kommunen weiter ein”, sagt Stefan Articus, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Ein weiterer Personalabbau sei dann unumgänglich.

"Die hohe Arbeitsplatzssicherheit ist ein hohes Gut"

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, beschwor am Montag auf der Jahrestagung des Beamtenbundes in Köln die Kompromissbereitschaft der Arbeitnehmer: „Gemeinsames Ziel der Arbeitgeber und Gewerkschaften sollte es sein, den jetzigen Stand in der Krise zu konsolidieren. Dabei wird schwerlich jemand übersehen können, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.”

Fünf Prozent mehr fordert die Tarifgemeinschaft von Verdi und Beamtenbund – allerdings gegliedert in mehrere Teile: Neben der linearen Erhöhung soll es für Auszubildende und Anwärter 100 Euro mehr geben, alle Auszubildenden sollen eingestellt werden, Aufstiegsmöglichkeiten sollen verbessert und die Altersteilzeit wieder eingeführt werden.

„Betrachtet man die vielen einzelnen Maßnahmen, dann stellt sich eher die Frage, ob das alles mit fünf Prozent vernünftig hinzukriegen ist”, sagt Beamtenbund-Vorsitzender Peter Heesen, der gemeinsam mit Verdi-Chef Frank Bsirske parallel zu den Verhandlungsrunden eine öffentliche Kampagne führen will. Deren Slogan spielt auf das Ziel der Bundesregierung an, alles für ein neues Wachstum zu tun: „Sozial ist, was Kaufkraft schafft.”

Sind fünf Prozent zu viel? Gibt es noch den großen Nachholbedarf des öffentlichen Dienstes gegenüber der privaten Wirtschaft, der jahrelang eingefordert wurde?

Polizisten legten zu

Auffallend: Trotz einer kräftigen Erhöhung in der letzten Runde 2008 entwickeln sich die Einkommen im Staatsdienst völlig unterschiedlich. Das ist nicht nur ein Effekt der Aufteilung der Tarifrunden in eine für Bund und Kommunen und eine andere für die Länder. Manchmal geht der Riss auch durch das gleiche Ministerium. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung verfolgt die Entlohnung von Branchen und Berufen seit 25 Jahren. Die DIW-Statistik, die jetzt für den „Stern” ausgearbeitet wurde, weist aus, dass seit 1990 Verwaltungsfachleute im höheren Dienst mit heute durchschnittlich 5110 Euro Bruttogehalt 19 Prozent mehr erhalten haben, im mittleren Dienst aber nur 14 Prozent, Soldaten sieben Prozent. Polizisten (im Schnitt 3090 Euro) legten um ein Fünftel zu.

Auf der Verliererseite stehen – neben Feuerwehrleuten (3000 Euro) mit minus 14 Prozent – auch Lehrer. Laut DIW-Studie büßten Gymnasiallehrer in zwanzig Jahren vier Prozent ein, Grund- und Hauptschullehrer hätten gar ein Minus von 21 Prozent auf dem Gehaltszettel zu verzeichnen.

Wie hart die Tarifrunde wird, ist derzeit nicht abzusehen. Beamtenbund und die Gewerkschaft Verdi verweisen darauf, dass die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen Tiefstand erreicht hat. Die Höhe der Personalkosten liege heute unter einem Viertel der Haushalte, sagen die Gewerkschaften. Die Kommunen dagegen betonen, schon eine Einkommenssteigerung um einen Prozentpunkt bedeute für sie Mehrkosten von 740 Millionen Euro – Geld, das nicht da sei.

Ringen um die Altersteilzeit

Wenige Staatsdiener in Deutschland

Der Öffentliche Dienst in Deutschland ist heute im Vergleich zu Nachbarländern eher klein.

11,7 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind beim Staat beschäftigt, 1990 waren es noch 15,9 Prozent.

In den USA sind nach Ermittlungen des IFO-Instituts 16,1 Prozent beim Staat beschäftigt, in Belgien und Großbritannien 22 Prozent, in Frankreich 24,5 Prozent. Norwegen und Schweden melden über 33 Prozent öffentlich Bedienstete.

Die Kosten liegen in Deutschland bei 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Frankreich bei 13 Prozent, in Skandinavien bei über 16 Prozent.

Vieles deutet darauf hin, dass eine lineare Erhöhung zwischen ein und zwei Prozent erreicht wird, die eigentliche Substanz für die zwei Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst aber anderswo ausgehandelt werden muss: Bei der staatlich geförderten Altersteilzeit beispielsweise, die Heesen („bei unseren Mitgliedern ein hoch besetztes Thema”) massiv fordert, de Maizière („keine Rückkehr dahin”) aber zurückweist.

Mehr miteinander als übereinander müsse gesprochen werden, gab der neue Bundesinnenminister in Köln zu Protokoll – und lieferte mit einer Streicheleinheit an die Adresse der Beamten ein Lob und ein vergiftetes Kompliment zugleich. Nach dieser Krise habe der Staatsdienst eine viel stärkere Stellung als vorher, sagte er. Viele Beschäftigte aus der Privatwirtschaft würden gerne in den öffentlichen Bereich wechseln. „Die hohe Qualität des Arbeitsumfeldes und die hohe Arbeitsplatzsicherheit sind kein geringes Gut…”