Berlin. Die Höhe der Gasumlage wurde bekanntgegeben. Wann kommt sie bei den Verbrauchern an? Warum ist sie nötig? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Auf Gaskunden aus Deutschland kommen ab Herbst deutliche Mehrkosten zu. Die Höhe der staatlichen Gasumlage wird bei 2,4 Cent pro Kilowattstunde liegen, wie die Firma Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, am Montag in Ratingen mitteilte. Die Umlage kommt ab Herbst, viele Fragen sind aber noch offen.
Wie hoch wird die Umlage?
Die genaue Höhe der Umlage hat der sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe errechnet, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber.
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Das Vergleichsportal Verivox errechnete für eine Spanne von 1,5 bis 5 Cent für einen Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden Mehrkosten zwischen 89 und 298 Euro. Ein typischer Pärchenhaushalt würde demnach mit 214 bis 714 Euro belastet, eine Familie im Einfamilienhaus (20 000 Kilowattstunden Verbrauch) mit 357 bis 1190 Euro. Darin ist die Mehrwertsteuer enthalten.
Dazu kommen marktgetriebene, teilweise drastische Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen. Viele Menschen sind betroffen, denn etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.
Wann kommt die Umlage bei den Verbrauchern an?
Die Umlage gilt ab Anfang Oktober - sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden.
Die Umlage wird laut Ministerium monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Sollte Russland seine vertraglich zugesicherten Mengen wieder vollumfänglich erfüllen, werde die Preisanpassung auf null gesetzt. Die Höhe der Umlage hängt also wesentlich von Umfang und Preis des als Ersatz beschafften Gases sowie von der Nachfrage ab. Je höher der Ausgleich für die Importeure, desto höher auch die Umlage.
Warum ist die Umlage überhaupt nötig?
Gasimporteure haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden. Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden, der Fortbestand der Unternehmen kann gefährdet werden. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart.
Zugleich beschloss die Bundesregierung auch, die Umlage auf alle Gaskunden anzuwenden. Die Alternative wäre gewesen, den finanziellen Ausgleich für die Importeure über den Staatshaushalt zu finanzieren. Dies wäre aber mit „erheblichen Belastungen“ des Etats verbunden, heißt es in der Verordnung. Politisch setzt die Bundesregierung außerdem ein Preissignal: Gassparen lohnt auch finanziell.
Wie funktioniert die Umlage?
Kern sind Ausgleichszahlungen an die Gasimporteure. Sie sollen ausreichen, um Insolvenzen zu verhindern, wie es heißt. Mit der Umlage sollen „weitere massive Preissteigerungen durch den insolvenzbedingten Ausfall für den Markt wichtiger Gasimporteure“ verhindert werden.
Der finanzielle Ausgleich für betroffene Gasimporteure ist zeitlich beschränkt auf die Erfüllung von vertraglichen Lieferverpflichtungen vom 1. Oktober 2022 bis zum 1. April 2024. Bis Oktober tragen laut Ministerium die betroffenen Gasimporteure alle Kosten für die Ersatzbeschaffung allein. Danach tragen sie 10 Prozent der Kosten dauerhaft selbst.
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Für die Berechnung der Umlage gibt es eine komplexe Formel, die unter anderem den Unterschied zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem aktuellen Einkaufspreis berücksichtigt. Die Höhe der Mehrkosten muss von Wirtschaftsprüfern testiert werden. Der Ausgleich erfolgt laut Ministerium über die Gaslieferanten, die die Kosten in aller Regel an ihre Kunden weitergeben werden.
Welche offenen Fragen gibt es?
Ein Problem ist, wie mit Kunden mit Festverträgen umgegangen wird. Aus dem Ministerium hieß es bisher nur, dies werde geprüft. In einem Brief an Habeck warnten der BDEW und der Verband kommunaler Unternehmen, eine Preisanpassung gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungsmöglichkeit könne bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden und des Kleingewerbes, bei einigen Versorgern sogar deutlich mehr.
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„Die Folge wäre, dass die Unternehmen zwar die Umlage an den Marktgebietsverantwortlichen zahlen müssen, diese aber nicht sofort von den Letztverbrauchern erstattet bekommt“, heißt es in dem Brief. Bei Festpreisverträgen und in der aus Gas erzeugten Strom- und Fernwärmeversorgung drohe ein Totalausfall, wenn die Umlage vertraglich nicht weitergegeben werden könne. „Dadurch entstehen erhebliche Liquiditätsprobleme bei den Energieversorgern, die wegen der ohnehin angespannten Finanzsituation auch zur Insolvenz führen können.“
Wie ist es mit der Mehrwertsteuer?
Stand jetzt wird auf die staatliche Gasumlage die Mehrwertsteuer fällig - der Staat verdient also mit. Die Bundesregierung würde die Umlage gern von der Mehrwertsteuer befreien - nach europäischem Recht ist das bisher aber nicht vorgesehen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat aber auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten: In einem Brief an EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni bat Lindner ihn, sein Initiativrecht zu nutzen und den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, auf staatliche Abgaben im Energiebereich für eine Weile keine Mehrwertsteuer zu erheben. Unabhängig davon werde Deutschland nach Artikel 395 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Ausnahme beantragen.
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Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hatte vorgeschlagen, Mehrwertsteuereinnahmen aus der Gasumlage an ärmere Haushalte weiterzugeben.
Welche staatliche Umlage kommt noch?
Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll der Trading Hub Europe die Kosten ersetzen, die ihr zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, also für den Einkauf von Gas. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine „relevante Größe“ erreichen wird.
Inwiefern plant die Bundesregierung zusätzliche Entlastungen?
Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Donnerstag, die Regierung werde die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen. So soll es zu Beginn des kommenden Jahres eine deutliche Ausweitung des Wohngelds geben, auch ein dauerhafter Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte ist geplant. Finanzminister Lindner plant steuerliche Entlastungen, sein Konzept aber ist in der Koalition umstritten. Teile der SPD und der Grüne nennen sie sozial unausgewogen. (dpa)