An Rhein und Ruhr. Die derzeitigen Abschlussklassen in NRW waren fast in ihrer gesamten Abiturzeit von der Corona-Pandemie beeinflusst. Sind sie gut vorbereitet?

„Also ich glaube, ich bin gut vorbereitet“, sagt Levi Depuhl. Der 18-jährige Alpener geht zum Amplonius-Gymnasium Rheinberg. Mit rund 84.500 Schülerinnen und Schülern absolviert er in diesem Jahr in NRW das Abitur. Der Jahrgang hat fast die gesamte Oberstufenzeit mit der Pandemie verbracht.

Den normalen Zustand kennen die Abiturienten also gar nicht wirklich, höchstens aus den Erzählungen der älteren Jahrgänge. „Wenn ich mit älteren Freunden spreche, merke ich schon, dass wir in einer sehr anderen Situation sind.“ Allerdings hat Levi Depuhl nicht das Gefühl, dass sich die Situation in den Prüfungen negativ auf ihn auswirkt. Für manche Inhalte, vor allem in Biologie, hätte er sich allerdings mehr Präsenz gewünscht. Seine erste Klausur steht mit Englisch am Freitag an.

Levi Depuhl aus Alpen will nach seinem Abitur Medizin studieren.
Levi Depuhl aus Alpen will nach seinem Abitur Medizin studieren. © Levi Depuhl | Levi Depuhl

Am Montag starteten schon die ersten schriftlichen Klausuren und dauern noch bis zum 10. Mai. Am 11. Mai sind dann mündliche Prüfungen. Konnte der „Corona-Abitur-Jahrgang 2022“ gut auf die Prüfungen der Grund- und Leistungskurse vorbereitet werden? NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer kündigte im Vorfeld an, dass die Prüfungen unter fairen Bedingungen laufen können. Gebauer zufolge wurden Anpassungen vorgenommen, um „den pandemiebedingten Herausforderungen der letzten Jahre Rechnung zu tragen“.

Abitur-Prüfungen 2022 in NRW: „Es ist auf keinen Fall fair“

Die „Landesschüler*innenvertretung NRW“ sieht die Lage etwas anders, wie Vorstandsmitglied Johanna Börgermann erklärt: „Es ist auf keinen Fall fair, da wir durch die Corona-Pandemie eine riesige soziale Ungerechtigkeit haben.“ Schülerinnen und Schüler seien in den Homeschooling-Phasen völlig anderen Gegebenheiten ausgesetzt gewesen. Nicht alle seien gut behütet und von zu Hause gefördert worden. Zudem habe man zu Hause nicht so viel schaffen können, wie in Präsenz. „Was man aber einräumen muss, ist die Erweiterung der Auswahlmöglichkeit bei den Prüfungen“, so Börgermann, die selbst in diesem Jahr ihr Abitur schreibt.

Auch interessant

Nach den Osterferien begann der Unterricht in NRW ohne Testpflicht. Jetzt will das Land die unverbrauchten Coronatests zurück.
Von Von Matthias Korfmann und Christopher Onkelbach

Für die Schülerschaft in NRW argumentiert sie, dass, auch wenn die Coronapandemie für ihren Jahrgang zum Alltag geworden ist, sie nicht unbedingt das Gleiche leisten könnten, wie die Jahrgänge zuvor. „Es ist was anderes, zwei Jahre mit Maske zur Schule zu gehen, wiederkehrend zweiwöchige Quarantänen durchzuhalten oder fünf Monate komplett von zu Hause arbeiten zu müssen.“ Auch sei im ersten Lockdown teilweise kein Unterricht möglich gewesen wegen der fehlenden digitalen Infrastruktur in vielen Schulen. Die Forderung der Schülervertretung im Vorhinein sei deshalb eine Dezentralisierung des Abiturs gewesen oder ein größerer Aufgabenpool in den Prüfungen.

Allgemeiner Abischnitt verbesserte sich 2021 in NRW

Ayla Çelik von der Lehrergewerkschaft GEW in NRW schätzt die derzeitige Situation grundlegend positiv ein, dass die Schülerinnen und Schüler sich gut vorbereiten konnten. Sie sagt aber auch: „Die letzten Abitur-Jahrgänge haben gezeigt, dass das eine psychische Belastung ist, unabhängig von den Ergebnissen.“ Diese waren im Schnitt nicht schlechter als zu Vor-Corona-Zeiten, der Notenschnitt stieg im Jahr 2021 sogar.

Auch interessant

Das habe laut Çelik auch damit zu tun, dass die Prüfungsformate für die Pandemiezeit vom Ministerium angepasst worden sind. Heißt, die Schülerinnen und Schüler können bei den Prüfungen aus einem größeren Aufgabenpool auswählen. „So sehr kann man dann gar nicht mehr auf Lücke lernen, dass nicht mindestens ein Thema dabei ist, das einem liegt“, sagt Çelik. Für die Deutschprüfungen am Mittwoch habe Sie die Rückmeldung erhalten, dass die Aufgaben sehr attraktiv gewesen seien. Der Start der schriftlichen Prüfungen lief aus ihrer Sicht also erstmal relativ reibungslos.

So lief das die Deutsch-LK-Klausur für zwei Abiturienten in Essen

Alessandra Cavallaro und Malte Buntrock haben ihre Deutsch-LK-Klausur gerade hinter sich und kommen aus der Gesamtschule Holsterhausen in Essen. „Ich habe Lyrik genommen und fand die Gedichte echt schön“, sagt der Schüler Malte Buntrock. Er habe ein gutes Gefühl und ihn habe der Inhalt berührt, da sich beide Texte um das Thema Krieg drehten und die Sehnsucht nach Heimat.

Alessandra Cavallaro und Malte Buntrock haben gerade ihre Abitur-Klausur in Deutsch geschrieben.
Alessandra Cavallaro und Malte Buntrock haben gerade ihre Abitur-Klausur in Deutsch geschrieben. © NRZ | Tobias Harmeling

Alessandra Cavallaro empfand die Klausuren auch als fair, war nur mit ihrer persönlichen Leistung nicht so zufrieden. Zur Ausgangslage ihres Abiturjahrgangs sagt sie: „Wir haben natürlich keinen Vergleich, aber wir waren, denke ich, schon benachteiligt, weil wir einfach weniger Unterricht hatten“, erklärt die Schülerin. Vor allem der zweite Lockdown habe ihr persönlich zu schaffen gemacht.