Berlin . Russland spricht vom totalen Wirtschaftskrieg: Dreht uns Putin das Gas ab, weil der Westen seine Energierechnung nicht in Rubel zahlt?
Der Winter war mild und ist vorbei. Die Deutschen müssen nicht frieren, wenn Russland den Gashahn zudreht. Denn genau das droht in der nächsten Eskalationsstufe im Wirtschaftskrieg mit dem Westen.
Nachdem die führenden westlichen Wirtschaftsnationen – die G-7 – es abgelehnt haben, ihre Energierechnung in Rubel zu bezahlen, stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montagabend kategorisch fest : „Keine Bezahlung – kein Gas.“ Macht Präsident Wladimir Putin jetzt ernst?
- Porträt: So tickt Russlands Präsident Wladimir Putin
- Geheime Milliarden: So groß ist das Vermögen von Wladimir Putin wirklich
- Liebesleben: Wladimir Putin versteckt mutmaßliche Geliebte – Wer ist diese Frau?
- Versteckte Familie: Das sind die Töchter von Wladimir Putin
- Russland: Putins Machtzirkel – Diese Oligarchen beraten den Präsidenten
Das Drohszenario ist glaubhaft, weil Russland nicht viel zu verlieren hat. Der Westen will sich unabhängiger von russischer Kohle, Erdöl und Gas machen – ganz gleich, wie der Ukraine-Krieg ausgeht. Die Armee finanzieren, Soldaten versorgen, Waffen bauen, all das kann Putin weitgehend im eigenen Land und mit Rubel zahlen.
Vom „totalen Krieg“ ist schon die Rede
Es geht jetzt um eine grundlegende Weichenstellung bei der Versorgungssicherheit. Russland richtet sich längst darauf ein. Es gebe auch einen Markt „in Südostasien, im Osten“, erinnerte Peskow. Gemeint ist in erster Linie China. Der Weltmarkt sei vielseitiger als nur der europäische Markt. „Obwohl natürlich der europäische Markt Premium ist.“
Eröffnet wurde der Wirtschaftskrieg vom Westen mit Sanktionen nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine. Eine Folge war der Verfall der heimischen Währung, des Rubels.
Putin – mit dem Rücken zur Wand?
Schon bald konterte Putin mit der Forderung, Gas nur gegen Rubel zu liefern. Damit hätte der Westen zum einen seine eigenen Sanktionen gegen die russische Staatsbank unterlaufen müssen. Zum anderen hätte eine höhere Nachfrage des Rubels den Kursverfall gestoppt.
Am Montag lehnten die G-7 die Forderung ab. Putin ließ daraufhin erklären, man werde die Antwort der EU abwarten (Amerikaner, Kanadier und Japaner sind keine relevanten Abnehmer) und dann die nächsten Schritte festlegen. „Wir beabsichtigen aber auf keinen Fall, uns als Wohltäter zu zeigen und Westeuropa kostenloses Gas zu liefern“, betonte Peskow, ein enger Vertraute des Präsidenten.
Habeck: Auf alle Szenarien vorbereitet
Formalrechtlich geht es um die Auslegung von Verträgen. Die G7-Energieminister sind sich laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einig, dass die Rubel-Forderung einen Bruch der bestehenden Verträge darstellt.
Die Russen schauen naturgemäß anders darauf. Ihr Blick geht über Lieferverträge hinaus. Im Interview mit der US-Fernsehkette PBS sagte Peskow, man sei im Bereich eines „totalen Kriegs“ angekommen.
- Kriegsmaterial: Gehen Russland im Ukraine-Krieg die Panzer aus?
- Teure Produkte: Russen kaufen westliche Waren, die in Kiew niemand will
- Rüstungsmesse: Panzer, Drohnen – und die Rakete, die uns vor Putin rettet
- Militärexperte: Masala: „Auf der Krim hat die Ukraine jetzt die Initiative“
Peskow erklärte, „wir in Russland empfinden diesen Krieg so, dass die westeuropäischen Länder, die USA, Kanada und Australien einen tatsächlichen Krieg im Handel, in der Wirtschaft führen, sie beschlagnahmen unser Eigentum, unser Bargeld und blockieren unsere Finanzen“. Man müsse sich jetzt „an die neue Realität anpassen.“
Für Putin geht es darum, das Gesicht zu wahren; nicht als jemand dazustehen, der leere Drohungen ausspricht. Der Westen vermutet, dass er ökonomisch „mit dem Rücken zur Wand steht, sonst hätte er diese Forderung ja nicht erhoben“, meint Habeck. Man sei bestrebt, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. „Wir lassen uns nicht spalten, und die Antwort der G7-Staaten ist eindeutig: Die Verträge werden eingehalten.“
Der Härtetest kommt erst: Der Winter 2023
Für den Fall, dass Russland Gaslieferungen einstelle, sei man "auf alle Szenarien vorbereitet." Gemeint war weniger die Kettenreaktion an höheren Preisen und Engpässen für Verbraucher und Industrie.
Allein die Unsicherheit auf den Energiemärkten hat zu einem Preisanstieg im Februar 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat bei importierter Energie um 129,5 Prozent und bei im Inland erzeugter Energie um 68 Prozent geführt, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Verbraucherinnen und Verbraucher mussten für Haushaltsenergie und Kraftstoffe 22,5 Prozent mehr zahlen als im Februar 2021.
Wenn Habeck davon spricht, dass man "vorbereitet" sei, dann meint der Grünen-Politiker allein die Versorgungssicherheit und die Unabhängigkeit von einzelnen Energieträgern:
- Beispiel Kohle: Die Abhängigkeit von Kohle sinkt nach Angaben Habecks gerade von 50 auf rund 25 Prozent und bis zum Frühsommer auf – nahe Null.
- Beispiel Erdöl: Die Abhängigkeit von russischem Öl soll von zuvor 35 Prozent durch Vertragsumstellungen auf etwa 25 Prozent absehbar sinken. Zum Jahresende werde angestrebt, „nahezu unabhängig“ von russischem Öl zu sein.
- Beispiel Gas: Der Anteil der russischen Gaslieferungen sank laut Ministerium bereits von 55 Prozent auf 40 Prozent. Bis zum Sommer 2024 könne es gelingen, bis auf wenige Anteile unabhängig von russischem Gas zu werden. Man behilft sich mit Flüssiggas aus Katar und den USA. Die kritische Phase: der nächste Winter 2023.
Lesen Sie auch: Nur noch für Rubel: Was bedeutet Putins Gas-Manöver?
Derweil mahnte die internationale Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) einen Kurswechsel an: Für eine Energiewende im Kampf gegen den Klimawandel seien weltweit bis 2030 Investitionen von jährlich 5,7 Billionen US-Dollar nötig. So wäre man nicht auf fossile Energieträger angewiesen.
Auch nicht auf Putin.
Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt
- Historie: Liegt der Grund für den Ukraine-Krieg in der Geschichte?
- Putins Ziele: Warum Russland die Ukraine angegriffen hat
- Präsident: Wolodymyr Selenskyj ist Putins Feind Nr. 1
- Verteidigungsbündnis: Die Nato einfach erklärt – Warum sie für Putin ein Ärgernis ist