Berlin. Die Regierung will nach dem ersten Entlastungspaket schnell nachlegen – doch die Vorstellungen der Parteien klaffen weit auseinander.
Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass die Ampel-Parteien 13 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt haben, um den Druck durch die steigenden Preise abzumildern. Es war ein großes Paket, mit einigen Maßnahmen – und es ist längst überholt. In Folge des Kriegs in der Ukraine ist das Leben auch in Deutschland noch einmal teurer geworden. Die Ampel will deshalb noch einmal nachlegen. Ein Überblick, welche Entlastungen sicher kommen und was noch diskutiert wird:
Das Paket aus dem Februar soll jetzt schnell umgesetzt werden: Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett den damals beschlossenen Sofortzuschlag für Kinder und Jugendliche aus armen Familien und eine Einmalzahlung für Erwachsene, die Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Sozialhilfe beziehen. Sie sollen einmalig 100 Euro bekommen, mit denen die Effekte von steigenden Preisen abgefedert werden sollen.
Der Kindersofortzuschlag, den anders als bisher geplant auch Kinder von Asylbewerbern bekommen sollen, liegt bei monatlich 20 Euro. Ausgezahlt werden soll beides ab Juli.
Ebenfalls ab Juli soll die EEG-Umlage wegfallen und die Strompreise so gesenkt werden, auch diese Maßnahme war Teil des ersten Pakets. Am Donnerstag ist das dazugehörige Gesetz zur ersten Lesung im Bundestag.
Der Wohngeldzuschuss wird doppelt so hoch wie ursprünglich geplant
Außerdem soll das Parlament in dieser Woche den Heizkostenzuschuss für Menschen mit kleinem Einkommen beschließen. Wer Wohngeld oder Bafög bekommt, soll nicht auf den gestiegenen Kosten für Wärme sitzen bleiben, auch darauf hatte sich Koalition im Februar geeinigt.
Die geplante Summe haben SPD, Grüne und FDP kurzfristig noch einmal deutlich nach oben gesetzt: Statt wie ursprünglich geplant 135 Euro soll es nun 270 Euro geben für Ein-Personen-Haushalte, 350 Euro für Zwei-Personen-Haushalte. Für jeden weiteren Mitbewohner sind noch einmal 70 Euro vorgesehen. Studenten, Auszubildende und andere Berechtigte erhalten pauschal 230 Euro.
Parallel zu dem, was jetzt beschlossen ist, arbeitet die Koalition an einem zweiten Entlastungspaket. Eine Gruppe mit jeweils drei Personen aus den drei Parteien berät aktuell darüber, wie das genau aussehen könnte. Vertreten sind jeweils Partei, Fraktion und ein Ministerium.
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Christian Lindner hält an seinem Tankrabatt fest
Vorgeschlagen als weitere Entlastungsmaßnahme ist unter anderem ein Tankrabatt. FDP-Finanzminister Christian Lindner hatte den ins Spiel gebracht, um den Spritpreis an den Tankstellen wieder in Richtung zwei Euro zu drücken. Auf den Staat kämen damit hohe Kosten zu - bei einem Rabatt von 40 Cent pro Liter Treibstoff, der drei Monate lang wirksam ist, schon sechseinhalb Milliarden Euro, so hatte Lindner es selbst vorgerechnet.
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Expertinnen und Experten kritisieren die Idee als wenig zielgerichtet, denn mit dem vielen Geld würden nicht unbedingt die unterstützt, die am dringendsten Hilfe brauchen, sondern vor allem die, die besonders viel Sprit verbrauchen. Gerade Geringverdiener haben aber häufig gar kein Auto.
Grüne und Teile der SPD sind deshalb nicht überzeugt von Lindners Vorschlag. Auch dass der Finanzminister diesen ohne Absprache in die Debatte geworfen und so einen Erwartungsdruck erzeugt hat, sorgt für Stirnrunzeln bei manchen. Lindner allerdings hält an der Idee fest.
Die Grünen fordern ein Energiegeld für alle
Die Grünen drängen statt einem Tankrabatt auf ein Energiegeld. Die Idee ist einfach – jeder Bürger, jede Bürgerin sollen einen pauschalen Betrag zur Entlastung aufs Konto bekommen. Dafür spricht aus Sicht der Grünen, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen davon mehr profitieren als Haushalte mit hohem Einkommen. Zudem würde eine Reduzierung des Verbrauchs belohnt. Wer Sprit spart, entweder durch langsameres Fahren oder mehr Wege mit anderen Verkehrsmitteln, hätte unterm Strich mehr von einer solchen Maßnahme als Menschen, die ihr Verhalten nicht ändern.
Allerdings: Wann und wie genau der Pauschalbetrag zu den Bürgerinnen und Bürgern kommen würde, ist unklar. Finanzminister Lindner fürchtet hohen Verwaltungsaufwand und Strukturen, die erst noch aufgebaut werden müssten – das Energiegeld sei kein „agiles Instrument der Krisenbewältigung“ und könne nicht kurzfristig zum Einsatz kommen, sagte er am Mittwoch.
Hohe Benzinpreise: Habeck schaltet das Kartellamt ein
Dass Entlastungsmaßnahmen wie diese überhaupt nötig sind, liegt an hohen Preisen für Nahrungsmittel, Strom, Gas und Treibstoff. Doch zumindest bei Benzin und Diesel macht sich bei den Koalitionspartnern der Eindruck breit, dass die so hoch gar nicht sein müssten - und Mineralölfirmen hier übergroße Profite einfahren auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn Öl als Grundstoff für Benzin und Diesel ist seit Spitzenwerten in der vergangenen Woche wieder deutlich billiger geworden, doch die Spritpreise bleiben hoch.
„Es gibt faktisch keine Knappheit an Benzin und Diesel“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Mittwoch. „Es ist sehr viel Spekulation im Markt.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bat deshalb am Mittwoch das Kartellamt, die Preise für Sprit „sehr genau zu beobachten“ und bei „jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten“ sofort tätig zu werden. „Es darf nicht sein, dass Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlagen“, sagte Habeck.